Das britische Forscher-Camp über dem Ellsworth-See in der West-Antarktis. Ab Oktober 2012 soll hier in die Tiefe gebohrt werden.

Foto: Neil Ross/University of Edinburgh

Wien/Mondsee - Seit Hunderttausenden Jahren liegt der Ellsworth-See unberührt in über 3.000 Metern Tiefe unter dem Eisschild der West-Antarktis. Nun wollen britische Wissenschafter zu dem isolierten See vordringen. Bei dem anspruchsvollen Projekt kommt unter anderem Technik von dem oberösterreichischen Unternehmen UWITEC zum Einsatz.

Die Entdeckung von mittlerweile 387 Seen, die sich kilometerweit unter dem antarktischen Eis verbergen, hat zahlreiche Forscher auf den Plan gerufen. Insgesamt drei Forschungsgruppen - neben den Briten aus Russland und den USA - bemühen sich zu diesen, seit Äonen von der Außenwelt abgeschlossenen Seen vorzudringen.

Hoffnung auf einzigartige Lebensformen

Der Hauptgrund für das Interesse der Wissenschaft begründet sich vor allem in der völligen Isolation der Seen. Sollte man dort auf Lebewesen stoßen, würde das einen Blick auf genetische Informationen erlauben, die seit sehr langer Zeit nicht beeinflusst wurden. Möglicherweise einzigartige Lebensformen könnten sich dort über Hunderttausende Jahre entwickelt haben. Die Forscher erhoffen sich nicht zuletzt auch von der Untersuchung der Sedimente des Sees vor allem neue Erkenntnisse über die Evolution des Lebens auf der Erde, die Entwicklung der Antarktis und des Klimas.

Das Projekt wird vom Forschungszentrum British Antarctic Survey (BAS) durchgeführt und vereint Wissenschafter aus zahlreichen britischen Universitäten und Forschungsinstitutionen. Als Zielort hat man sich den Ellsworth-See unter dem Westantarktischen Eisschild ausgesucht. Die ersten Vorbereitungen für das Projekt in der Antarktis beginnen in den nächsten Tagen. Insgesamt werden 70 Tonnen Ausrüstung mit Kettenfahrzeugen fast 300 Kilometer über das Eis transportiert. Ab Oktober 2012 wollen die Forscher und Techniker die Eisschicht mit heißem Wasser durchdringen. 90.000 Liter Wasser sollen stark erhitzt werden und über eine Düse am Ende eines über 3.000 Meter langen Schlauchs das Loch bis zum See schmelzen.

Eilige Sedimententnahme

Auf diesem Weg soll ein Bohrloch mit etwa 35 bis 40 Zentimeter Durchmesser entstehen, durch das die wissenschaftlichen Messinstrumente zum See gelangen sollen. Nach einer Messsonde, die Wasserproben und Sedimente von der Oberfläche des Seebodens nehmen wird, soll dann ein Gerät des Mondseer Unternehmens UWITEC tieferliegende Sedimente aus dem See zutage fördern. Da das Bohrloch aber rasch wieder zufriert und mit jeder Stunde etwa sechs Millimeter an Durchmesser verliert, müsse man sich mit der Probennahme beeilen.

In dem Mondseer Unternehmen arbeiten Firmengründer Richard Niederreiter und seine Mitarbeiter an einem Spezialgerät zur Entnahme von Sedimentbohrkernen, das eigens für das britische Projekt entwickelt wird. Das Projekt mache weltweit Furore, so Niederreiter. "Der Kontakt zum BAS beruht auf dem guten Verhältnis zu Dominik Hodgson, der für die Sedimentbohrung im Rahmen des Projekts zuständig ist". Hodgson und sein Team werden schon "seit sehr langer Zeit von uns beliefert und waren mit unseren Geräten bisher auch erfolgreich", so der Unternehmer.

Vergangene Woche reisten britische Wissenschafter nach Mondsee, um sich mit dem Prototyp auseinanderzusetzen. "Normale Beprobungen haben wir im Griff, doch dieses Projekt ist doch eine besondere Herausforderung", so Niederreiter, der die besonderen Anforderungen hervorhebt, die etwa der hohe Druck an das Gerät stellt.

Keimfreie Bohrung

Ein weiteres Thema ist auch die notwendige absolute Sterilität. Damit soll gewährleistet werden, dass das so lange Zeit abgeschottete Ökosystem nicht verunreinigt wird. Das fertige Gerät wird deshalb in Großbritannien unter Reinraumbedingungen zerlegt, vollständig von Keimen befreit und wieder zusammengebaut. Unter keinen Umständen sollen Lebensformen und Substanzen in den Ellsworth-See gelangen, die dort vor dem Durchstich nicht anwesend waren.

Niederreiter: "Das Eisloch bekommt dafür eine Schleuse. Dort wird das Gerät nochmals sterilisiert, dann wird das 3.000 Meter lange sterile Kabel angeschlossen und bis zum Grund des Sees abgesenkt, um dort die Proben zu nehmen". Mit Hilfe einer Kamera soll die richtige Position knapp über dem Seeuntergrund bestimmt werden, ehe das Rohr etwa dreieinhalb bis vier Meter in den Untergrund getrieben wird, erklärt der Techniker. (red/APA)