Einer, der sich die Frau seiner Träume zurechtskalpiert: Antonio Banderas legt als Schönheitschirurg in Pedro Almodóvars "Die Haut, in der ich wohne" Hand an Elena Anaya an.

Foto: Tobis

Wien - Pedro Almodóvar ist ein Regisseur, der seine Cinephilie so gerne zur Schau stellt wie sein exaltiertes Äußeres. Die Pressehefte zu den Filmen des Spaniers sind beispielsweise keine trocken formulierten PR-Texte, sondern eine Art Lexikon, das den eigenen Film und die dazugehörige Ideenwelt fast ein wenig geschwätzig beschreibt und analysiert. Über "Die Haut, in der ich wohne", seinen neuen Film, schreibt Almodóvar, er sei von Hitchcocks "Vertigo", von "Frankenstein" sowie gleich von mehreren Fritz-Lang-Arbeiten inspiriert, und natürlich auch von Georges Franjus schaurigem Klassiker "Augen ohne Gesicht".

Sonst noch was? Das Gute an Almodóvar ist freilich, dass das Resultat immer noch wie ein echter Almodóvar aussieht. Das ist auch bei "Die Haut, in der ich wohne" nicht anders, einem Thriller, der auf Thierry Jonquets gleichnamigem Roman basiert. Dabei bedeutet er in mehrfacher Weise eine Abkehr von jüngeren Filmen wie "Volver" oder "Zerrissene Umarmungen". Die abenteuerlichen Windungen der Handlung und das spekulative Moment im Umgang mit Sex und Gender erinnern eher an Almodóvars grelles Frühwerk; mit dem zum Hollywood-Star avancierten Schauspieler Antonio Banderas ist erstmals nach 21 Jahren auch ein Mann der ersten Stunden mit dabei.

Banderas spielt - ein hintersinniger Besetzungscoup - den Schönheitschirurgen Dr. Robert Ledgard, dessen aalglattes Aussehen ein umso unaufgeräumteres Inneres verbirgt. Der Arzt ist mit einer Aufgabe beschäftigt, die gegenwärtige bioethische Grenzen weit überschreitet: Heimlich arbeitet er in seiner weitläufigen Villa an der Herstellung einer perfekten Haut - elastisch, widerstandsfähig und feuerfest soll sie sein -, für die er menschliche Gene mit jenen von Schweinen kombiniert.

Ein Versuchskaninchen hat er in einer jungen Frau namens Vera (Elena Anaya) auch. Ledgard hält sie in einem Zimmer des Hauses versteckt - in ihrem braunen Overall, der ihren Körper betont, wirkt sie denn auch wie eine zum Leben erweckte Puppe. Forciert wird dieser Eindruck noch durch ihre Bewegungen: Wir beobachten sie dabei, wie sie fleißig Yogaübungen praktiziert, so als würde sie die Möglichkeiten ihres Körpers gerade erst entdecken. Videokameras überwachen sie nonstop. An den Wänden des Zimmers schreibt sie außerdem an einer Art Tagebuch.

Die Abgründe der Geschichte öffnet Almodóvar in "Die Haut, in der ich wohne" erst nach und nach. Was sich vor und was sich nach einer Episode zugetragen hat, ist hier auch deshalb von Bedeutung, weil es das Gesicht (und damit die Frage nach der Identität) einer Figur ganz wesentlich mitbestimmt. Wichtig zu wissen ist dabei noch, dass Ledgards Ehefrau bei einem Autounfall schwer verunstaltet wurde. Aus diesem tragischen Ereignis bezieht der Arzt einen Teil der Dringlichkeit seines Tuns, doch es gibt noch weitere einschneidende familiäre Erfahrungen, die hier unerwähnt bleiben sollen.

Raffiniertes Räderwerk

So verwegen die erzählerischen Sprünge Almodóvars sind, so zurückhaltend, für seine Verhältnisse unüblich unterkühlt blickt er diesmal auf seine Figuren. Dem raffinierten Räderwerk der Dramaturgie - und der gewohnt üppigen optischen Ausgestaltung, welche die sinistren Vorgänge konterkariert - wurde mehr Aufmerksamkeit zuteil als der Besessenheit Ledgards, seiner fatalen Neigung zur Perfektion.

Als ZuschauerIn wird man in "Die Haut, in der ich wohne" zwar wiederholt in die Position gebracht, die voyeuristische Haltung des Arztes zu teilen, aber um die perversen Tiefen seines Begehrens schleicht sich der Film herum. So bleibt er letztendlich selbst eine ästhetische Operation, die von großer Kunstfertigkeit kündet, aber zu wenig Nachdruck besitzt, um zu verstören. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, Printausgabe 13.10.2011)