Dem Flügeltürer folgt der Roadster. Jetzt wird es schwierig. Welchen SLS kaufen? Das Coupé oder den mit Himmel? Vielleicht alle beide. Man weiß ja nie.

Foto: Werk
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Wo sonst sollte man ihn in Szene setzen als dort, wo ihm alles zujubelt: die Bougainvilleen, die sanftfarbigen Villen, die neidlosen Menschen, das Licht und die Sonne. Das ist ja nur da, um ihm den Rahmen zu geben, ihn zu übertreiben, der doch schon im Stand aufgeigt und das Licht der exklusiven Denkungsart selbst in garstigen Hinterhöfen entzünden würde. Niemand denkt daran, bei seinem Erscheinen den Kopf herumzuwerfen. Hier, wo alles glänzt und in sattem Wohlstand eingebettet scheint, nimmt man ihn beiläufig wahr. Auch wenn du mit saturiertem Grinsen das Verdeck in zehn Sekunden aufschnurren lässt, was er bis 50 km/h erlaubt.

Gehört ja alles zusammen in der Gegend Nizza/Monaco. Wie die 70 Meter-Yacht, die Mille-Uhr um 500.000 in der besseren Bijouterieauslage oder die Hochbeinigen, die wie Trophäen an den betagten Herren hängen. Nur keine Aufregung. Man ist unter sich. Zumindest abgebrüht gegenüber dem Extraordinären.

Da darf man den Mercedes AMG SLS Roadster sorglos ausführen, weil unter den Platanen jeder Porsche zur Normalität eines Golfs schrumpft. Die 517 PS zünden, sich brüllend durch enge, steile Gassen davonmachen, Land gewinnen, wo der Flache, Breitmäulige tief Luft holt und auf die Serpentinen zustürmt, sprotzend und brabbelnd gegen die scharfe Bremsung protestiert, bevor er wieder die Hacken in die Flanken kriegt, dass er hinaufjubelt auf die 100 in 3,8 Sekunden. Große Vorstellung in erhabener Kulisse.

Nicht dass man dieses Naturereignis von V8-Zylinder-Sauger nicht schon im SLS Flügeltürer ausgekostet hätte, dort abgeschottet von einer Dachkapsel. Aber im offenen Orchester schickt man die Fanfarenstöße noch greller in den Wind, der über die unverschämt lange Motorhaube strömt, dich kurz und zärtlich im Haar zaust, bevor er hinten den hübschen Buckel hinunterrutscht.

Als hätte es eines weiteren Beweises bedurft, sieht man wieder, was konsequenter Leichtbau und AMG-Fingerspitzengefühl erreichen können. Vorn der 6,2-Liter via Doppelkupplungsgetriebe im Transaxle-System auf das Sportfahrwerk übersetzt, per Alu-Doppelquerlenkerachsen achtsam der Straße nahegebracht, ein Cockpit, das ein paar Knöpfe anbietet, die der Performance Glanzlichter auftupfen, wenn Eile geboten ist.
Die Einstellungen "Sport" und "Sport+" versammeln das Potenzial auf einem Niveau, dem man nur mehr in der Jagd nach Nordschleifenrekorden gerecht wird. Oder um einen geneigten Beifahrer endgültig von den eigenen Fähigkeiten zu überzeugen, die doch nur die Fähigkeiten deines 240.000-Euro-Schlittens sind.

Ein bisschen Lenkrad- und Gasgefühl vorausgesetzt, beeindruckst du mit schlichtem Beschleunigungsirrsinn, einer Ansprache, die direkt auf den Unterleib gerichtet ist, und gelassener Kurvenstabilität weit diesseits des Möglichen.

Der SLS führt zurück in die elastische Jugend, verleiht einen Übermut, der in 1000 Stellmotoren und Überwachungssystemen beschwichtigt wird und nur nach außen sicht- und hörbar wird - wenn du mit weit über die Ohren gezogenem Heck davongaloppierst, als gäbe es kein Morgen und keine Sorgen.

Dennoch soll nicht der Eindruck erweckt werden, der SLS Roadster wäre ein Haudrauf, ein brutaler Geselle, der nur in der Hand eines eisernen Ritters Sinn machte. Im Gegenteil. Zu promenieren, mit ihm, wenn er sanft blubbert, die Menge der Bewunderer zu teilen macht fast genauso viel Spaß. Oder, wie es ein Mercedes-Techniker in bekannt feuriger Schwabennatur ausdrückte: „Au net schlecht". (Andreas Hochstöger/DER STANDARD/rondoMobil/Oktober 2011)