Tinguely-Museum Basel: "Fetisch Auto"

Hrsg.: Roland Wetzel. € 48,- / 336 Seiten.
Kehrer-Verlag, Heidelberg 2011

Foto: Matthias Cremer

"Ich fahre, also bin ich." Dermaßen affirmativ hatte der Schweizer Künstler Jean Tinguely (1925-1991) seine Begeisterung, seine Liebe und Leidenschaft zum Motorsport respektive zum Automobil per se beschrieben. Seine private Faszination, die durch zahlreiche Fotografien, Notizen und Anekdoten belegt ist, setzte sich auch in seinem künstlerischen Ausdruck fort, war Persönlichkeitsfacette wie auch integraler Werkbestandteil. Sowohl seine Beschäftigung mit Crashtest-Dummys, seine berühmten Schrottziegel wie auch seine Fahrzeugentwürfe, oszillierend zwischen antiken Streitwägen und futuristischen Space-Cars, dekuvrieren die automobile Obsession des Baseler Objektkünstlers.

Als Ausdruck der euphorischen, beinahe lyrischen Autophilie reflektiert sein Œuvre, das immer wieder Porträts seiner Ikonen (v. a. Jo Siffert) beinhaltete, seine Beziehung zum automobilen Objekt der Begierde. In Anlehnung an Tinguelys automobile Leidenschaft versammelte das Baseler Tinguely-Museum in der Ausstellung Fetisch Auto Positionen internationaler Künstler zu Themenkreisen, die der Maître noch selbst definiert hatte. Die Exponate thematisieren den religiösen wie auch sexuellen Fetisch der "Ware Auto", den Wahn des Geschwindigkeitsrausches sowie das Menetekel der Automobilität: den Unfall. Werke internationaler Künstler - von Andy Warhol, Damián Ortega, Erwin Wurm, Giacomo Balla, Bob Rauschenberg, Ed Ruscha, Jean Dubuffet, Gerhard Richter, César, Liz Cohen, Sylvie Fleury et alii, sowie Fotografien von Robert Frank, Andreas Feininger, Brassai und Jacques Henri Lartigue repräsentieren das Auto als Inspirationsquelle, als Fetisch und Identitätsprothese. Ironisierend, artifiziell, erotisiert, zwischen Futurismus, Pop-Art und Film; als Feldforschung der "größten offenen Psychiatrie": des Universums der Automobilisten. Nennenswert vielleicht ein Sarg in Form eines Autos, ein brennendes Auto alias Autodafé oder Jitish Kallats Autosaurus Tripous, ein aus Tiergerippen geformtes Auto.

So meinte Jean Tinguely angesichts seiner sakral-monumentalen Transformationen des dramatischen Spannungsfeldes zwischen Mensch und Maschine: "... wir leben in einer Räderzivilisation. Auch wenn man sie versteckt, sie drehen sich überall, alles ist in Bewegung. In den Autos, das Getriebe besteht aus Zylindern, die auf Achsen angebracht sind. Es ist das Lager, es ist die Rolle. Es dreht sich, es muss sich drehen, es hört nicht auf, sich zu drehen, es ist verrückt." (Gregor Auenhammer/DER STANDARD/rondoMobil/Oktober 2011)