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Lange hat es gedauert, bis ein Lobbyistengesetz vorliegt. Herausgekommen ist ein windelweicher Kompromiss. Bestraft werden können künftig Unternehmenslobbyisten wie Peter Hochegger, nicht aber Interessensverbände.

Foto: AP/Punz

Fast hätte man meinen können, Erwin Pröll sei über seinen einstigen politischen Ziehsohn hergezogen. "Man kann sich im Parlament noch so viele Gesetze zur Korruptionsbekämpfung überlegen", polterte der Landeshauptmann von Niederösterreich am Dienstag in Heute: "Wenn jemand ein Gauner ist, wird er auch einen Weg finden, das schärfste Gesetz zu umgehen."

Überhaupt, so der Befund von Pröll, habe es "viele Gauner in die Politik gespült, die aufgrund ihrer Wertestruktur nicht in der Lage waren, verschiedensten Verlockungen des Lebens zu widerstehen." Und deshalb: Müsse schon bei der Auswahl der Politiker auf ihren Charakter geachtet werden.

Ernst Strasser kann der mächtige ÖVP-Mann damit aber unmöglich gemeint haben, denn seine Entdeckung hat Pröll ja höchstpersönlich zum Innenminister und später zum ÖVP-EU-Delegationsleiter hochgepusht.

Ein paar Dutzend Kilometer weiter östlich von St. Pölten, im Wiener Kanzleramt, verkündeten die Regierungsspitzen an diesem Morgen jedenfalls stolz ihre Einigung über das neue Lobbyistengesetz. Also just jenes Regelwerk, das angesichts der Affäre rund um den früheren EU-Abgeordneten und Pröll-Liebling Strasser ersonnen worden ist, der im Frühjahr über das Lockangebot zweier Reporter der Sunday Times gestolpert war, die sich als Lobbyisten ausgegeben hatten. Die Aufdecker hatten Strasser für Gesetze Geld in Aussicht gestellt - und als Antwort Aussagen wie "Ich habe jetzt fünf, hoffentlich ab morgen sechs Kunden, wo ich so ein Berater bin" auf Video bannen können.

Seit Publikwerden des Falls, also seit gut sechs Monaten, verhandelten SPÖ und ÖVP im Rahmen ihres bis Jahresende geplanten Transparenzpakets auch über strengere Auflagen für Lobbyisten, die Bestechungsversuche gegenüber Politikern eindämmen sollen. Neben der Pflicht zur Eintragung in ein Register werden sie bei Rechtsgeschäften mit dem Bund mit einem Provisionsverbot belegt, bei Zuwiderhandeln gegen das Gesetz sind sie im Wiederholungsfall mit bis zu 60.000 Euro Strafe bedroht.

Warum diese Einigung derart lang gedauert hat? Weil Rot und Schwarz bis zuletzt darüber stritten, ob denn auch Kammern und Interessenverbände unter das gestrenge Gesetz fallen sollen, die ihnen selbst oft nahestehen - wie die Arbeiterkammer der SPÖ oder die Industriellenvereinigung der ÖVP, die etwa Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser einst für dessen Web-Auftritt bedacht hat.

Herausgekommen ist jetzt ein windelweicher Kompromiss, denn: Sanktionen drohen nur Lobbyingunternehmen und Unternehmenslobbyisten, nicht aber Selbstverwaltungskörpern und Interessenverbänden. Diese sind ab März 2012, wenn das Gesetz in Kraft tritt, bloß dazu angehalten, die Zahl der für sie tätigen Personen und ihre geschätzten Kosten für das abgelaufene Geschäftsjahr bekanntzugeben. Abgeordnete, die als Mitglieder eines Selbstverwaltungskörpers oder Interessenverbandes fungieren, sind von den Bestimmungen überhaupt ausgenommen - und zwar auch dann, wenn sie bei Ausübung ihrer Funktion dessen Interessen wahrnehmen.

Also alles total transparent? Justizministerin Beatrix Karl berief sich am Rande des Ministerrats auf die Ähnlichkeit mit Regelungen wie auf EU-Ebene und darauf, dass die Kammern ja kollektive Interessen vertreten. Der rote Kanzler und sein schwarzer Vize beschworen mehrmals "mehr Transparenz".

Noch etwas hat Pröll übrigens moniert: "Mein" und "dein" zu unterscheiden sei in der Politik "das Mindeste". Bei den eigenen Lobbys hat man ihn schon beim Wort genommen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD; Printausgabe, 12.10.2011)