Es wird immer einsamer um ihn. Der religiöse Führer, früher sein Schutzpatron, distanziert sich, und das Parlament wirft ihm in vier Fällen Fehlverhalten vor. Der letzte Finanzskandal umfasst sogar seinen engsten Mitarbeiter. Mit einem Wort: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad sitzt tief in der Bredouille.
Die Sündenliste, die ihm vom Parlament unter die Nase gerieben wird, ist brisant: Fehlentscheidungen bei der Entlassung von Ministern und das verspätete Einsetzen neuer Minister, Widerstand gegen die Anordnungen von Religionsführer Ali Khamenei sowie Missachtung der vom Parlament beschlossenen Gesetze.
Ein Präsident auf Abruf könnte man meinen, wenn die Umstände anders wären. Immerhin läuft jedoch alles in die Richtung, dass Ahmadi-Nejad in seine Schranken verwiesen und seine Machtbefugnisse eingeschränkt werden. Der letzte noch nicht aufgeklärte Finanzskandal hat hohe Wellen geschlagen. Es ging dabei um fast drei Milliarden Dollar, sieben Bank- und Geldinstitute waren daran beteiligt - und die Spur führte zum engsten Mitarbeiter des Präsidenten.
Der Chef der Bank Melli Iran, der größten Bank des Iran, ist zurückgetreten, ein anderer Bankdirektor wurde entlassen. Vieles deutet darauf hin, dass noch mehrere Entlassungen bevorstehen. Inzwischen wird der Regierung offiziell vorgeworfen, Öleinnahmen nicht ordnungsgemäß an die Staatskasse überwiesen zu haben.
"Der Angriff auf das Kabinett ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf", hat der Präsident immer wieder betont und gedroht, dass er gegebenenfalls Namen von hochrangigen Personen, die in die Finanzskandale verwickelt sind, in die Öffentlichkeit bringt. Aber Drohungen Ahmadi-Nejads in die Richtung seiner Kritiker sind so alt wie seine Regierungszeit und werden inzwischen nicht mehr ernst genommen.
Auch die bisher zurückhaltenden Medien wagen es in letzter Zeit Ahmadi-Nejad direkt anzugreifen, wie zuletzt die Zeitung Hamshahri, die auflagenstärkste Zeitung des Iran, die dem Oberbürgermeister von Teheran, Mohammed Bagher Ghalibaf nahe steht. In einem Leitartikel wirft Hamshahri dem Regierungschef vor, in vielen Fällen gelogen zu haben. Ghalibaf werden Ambitionen nachgesagt, Ahmadi-Nejads Nachfolger als Regierungschef zu werden. Er versucht sich als Präsidentschaftskandidat ins Gespräch zu bringen. (DER STANDARD/Printausgabe, 12.10.2011)
*Der Name des Autors wird aus Sicherheitsgründen nicht genannt.