Nora Stalzer und Hund Anni in ihrer Küche, die sich - wie alle Räume in ihrer Wohnung - wandeln können muss.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Die Gartenarchitektin und Künstlerin Nora Stalzer wohnt mit ihrer Familie in einem Cottage im 19. Bezirk. Ganz fertig soll dieses nie werden, erfuhr Michael Hausenblas.

"Unsere Wohnung liegt unterhalb des Türkenschanzparks im 19. Bezirk in Wien. Das gesamte Haus gehörte früher meinem Großonkel. Heute bewohne ich die untere Etage mit meinem Mann Clemens Lutz und unseren beiden Kindern. Lotte ist vier und Nepomuk sieben Jahre alt. Über uns wohnt noch eine weitere Familie, mit der wir uns wirklich gut verstehen.

Das Gebäude ist ein kurz vor 1900 gebautes, typisches Cottage, wie es solche in diesem Viertel sehr oft gibt. Insgesamt wohnen wir auf 155 Quadratmetern, dazu kommt noch der Garten mit 300 Quadratmetern. Mein Mann und ich sind vor zehn Jahren hierher gezogen. Zuvor hatten wir eine Wohnung in der Capistrangasse im 6. Bezirk. Das heißt: Trafik, Bäcker, Kino, Wirtshaus und sämtliche Freunde waren gleich um die Ecke. Hierher zu ziehen bedeutete schon eine Mordsumstellung nach so viel Urbanität.

Ich kann mich gut erinnern: Als wir zum ersten Mal herkamen, war die Wohnung völlig leer und hellgelb gestrichen. Die Wände waren über und über mit ganz zarten Blümchen bemalt. Und außerdem gab es in jedem Zimmer ein Waschbecken. Das lag daran, dass die Zimmer längere Zeit an Studenten der Universität für Bodenkultur vermietet waren. Ich habe damals noch Malerei studiert, und mein Umfeld hatte immer Einfluss auf meine Bilder. Als ich die Blümchen an der Wand und dann noch den Garten gesehen hab, sagte ich mir: 'No seavas, jetzt kommt also die grüne Serie!'

Im Hauptraum der Wohnung gibt es eine Art japanischen Torbogen mit einer Schiebetür. Meine Großmutter erzählte mir, dass hier früher zwei Flügel gestanden haben und ihre Onkel sozusagen gegeneinander musizierten. Der eine spielte Strauss, der andere Wagner – und das gleichzeitig. Wahrscheinlich hat mir aus diesem Grund mein Mann vor vier Jahren ein Piano zu Weihnachten geschenkt und mir damit eine Riesenfreude gemacht.

Ich würde unsere Wohnung als 'klassisch ungeplant' bezeichnen. Es kommt, was kommt. Das ist wie im Leben. Mir ist vor allem die Identität eines Ortes wichtig, und es gehört viel Gespür dazu, in eine Wohnung hineinzufinden. In diesen Räumen mit all ihren Geschichten, die sie noch immer füllen und prägen, beginnt langsam unsere eigene Geschichte, und die Räume passen sich unseren persönlichen Bedürfnissen an.

Mein Mann und ich sind Gartenarchitekten, und wir führen gemeinsam noch ein Geschäft für Gartenausstattung. Ich denke, der Unterschied zwischen uns und einem klassischen Bauherrn liegt darin, dass wir unsere Wohnung frei und offen gelassen haben. Wir haben sogar einen Raum, der sich in diesen zehn Jahren mindestens fünfmal verwandelt hat. Zuerst war dort mein Atelier, dann wurde daraus ein verlängertes Wohnzimmer mit Spielwiese, danach ein Arbeitszimmer und so weiter. Und dazwischen diente der Raum immer wieder als Kramuri-Zimmer. Das ist unendlich praktisch! Zeug rein, Tür zu.

Eine Wohnung muss sich, wie gesagt, den Lebenssituationen anpassen können. Das reicht von Zeiten des Rückzugs, der Ruhe, bis zu Perioden, in denen es wichtig ist, Freunde einzuladen und Partys zu geben. Aus einer Sofalandschaft wird dann halt eine lange Tafel mit Gartenbänken. Das Ganze hängt sehr mit dem persönlichen Energiehaushalt zusammen, und der richtet sich nach den Auf und Abs des Alltags.

Ich finde, ein Zuhause sollte nie fertig sein. Es wächst mit dir mit. Das ist wie bei einem Garten. Apropos Garten: Ich liebe es, wie das Licht und die Farben von außen in die Räume hineinwirken und die Wände dieses Spiel dann reflektieren. Vor allem, wenn draußen die große Magnolie blüht. Das ist, als würde man in ihrer Krone sitzen." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.10.2011)