Die aktuelle Novelle wird die jüngst erhobene Kritik am Vergabewesen nicht verstummen lassen.

Gesetzesnovellen haben den Zweck, bestehende Normen an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen und durch die Rechtsprechung erkannte Mängel in der praktischen Anwendung zu beseitigen. Das verhältnismäßig junge Bundesvergabegesetz wurde seit seiner Einführung 1997 im Schnitt alle zwei Jahre mehr oder weniger umfassend novelliert. Schon steht die nächste Novelle vor der Tür – sie soll mit Jänner 2012 in Kraft treten. Der große Wurf ist allerdings nicht daraus geworden – schade eigentlich.

Sehen wir uns zunächst an, warum das Bundesvergabegesetz eigentlich verabschiedet wurde. Vereinfacht gesagt soll es dafür sorgen, dass öffentliche Aufträge fair und für alle nachvollziehbar vergeben werden, dass alle Bieter, welche die Anforderungen der ausschreibenden Stelle erfüllen, die gleiche Chance haben, und nicht zuletzt, dass öffentliche Gelder bestmöglich verwendet werden. Blickt man zurück auf die großen Aufträge der letzten Jahre, fallen jedoch nicht nur Juristen auf Anhieb zahlreiche Skandale ein, die naturgemäß nicht zur Stärkung der Reputation des Vergabewesens beigetragen haben.

Erstmals zahlenmäßig belegt wurden die schlechten Imagewerte von Ausschreibungen vergangenen Juni im Rahmen des ersten Heid-Schiefer-Reports. Einige Ergebnisse: Jeder zweite Auftragnehmer (AN) und immerhin jeder dritte Auftraggeber (AG) hält Ausschreibungen für manipuliert und zu aufwändig. Mehr als 60 Prozent (AN) bzw. knapp ein Drittel (AG) glauben, dass Scheinausschreibungen keine Ausnahme darstellen. Dieser kleine Auszug aus einer Summe unerfreulicher Ergebnisse führt dazu, dass lediglich 14 Prozent der potenziellen Bieter an Ausschreibungen teilnehmen und gar 40 Prozent das auch künftig nicht vorhaben. Dabei sollte doch gerade das Vergaberecht für mehr, bessere und günstigere Angebote sorgen. Ein Trugschluss, wenn die Angebote ausbleiben.

Eigentlich müsste dieses Ergebnis zu drastischen Korrekturen führen. Die vorliegende Novelle jedoch ist dazu nicht geeignet, obwohl man ihr in einigen Bereichen Verbesserungen nicht absprechen kann – etwa durch die Erleichterung der Eignungsprüfung.

Warum aber wird der im Jahr 2009 aufgrund der Wirtschaftskrise auf 100. 000 Euro erhöhte Schwellenwert für Direktvergaben wieder auf 40.000 Euro gesenkt? Auftraggeber wie Auftragnehmer hatten diese Erleichterung für Kleinverfahren begrüßt. Der Europäische Gerichtshof verlangt jedoch bereits dann Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung, wenn auch nur potenzielles Interesse an einer grenzüberschreitenden Auftragserbringung vorhanden ist. Wer sollte hier den Gegenbeweis erbringen? In diesem Fall hätten die nationalen gesetzgebenden Stellen ruhig etwas mehr Mut aufbringen können, sinnvolle Regelungen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten und nicht in vorauseilendem Gehorsam wieder abzuschaffen.

Auch eine neue Art der Direktvergabe "nach vorheriger Markterkundung", die wiederum bis 100.000 Euro zulässig sein soll, ist wegen des damit verbundenen Bürokratieaufwands und der erhöhten Anfechtbarkeit kein tauglicher Ersatz für die "alte" Direktvergabe.

Der nächste Kritikpunkt betrifft die Möglichkeit, künftig im Unterschwellenbereich alles im Verhandlungsverfahren abwickeln zu können. Gerade im Baubereich ist dadurch reines Preisverhandeln zu befürchten, was dem Trend zur stärkeren Berücksichtigung von sozialen Kriterien (z. B. Lehrlingsförderung) sowie ökologischen bzw. ökonomischen Nachhaltigkeitsaspekten widerspricht. Der Gesetzgeber fördert damit mittelbar den Billigstbieter anstelle des Bestbieters.

Zu kurze Angebotsfristen

Und auch im Fristenmanagement geht die Novelle an den Bedürfnissen der Praxis vorbei, schließlich sollen Mindestfristen – etwa zum Erbringen von Angeboten - künftig vom Auftraggeber nach Ermessen verkürzt werden können. Angebotsfristen von einer Woche und kürzer wären damit in Zukunft möglich. Jedes Unternehmen, das sich schon einmal an einer Ausschreibung beteiligt hat, weiß, dass dies fast unmöglich ist. Gemeinhin geht man bei so enger Fristensetzung davon aus, dass der Wunschkandidat bereits im Vorfeld die Gelegenheit hatte, sich vor seinen Mitbewerbern über den Auftragsgegenstand zu informieren.

Die geplanten Neuerungen werden in Summe nicht dazu führen, das Vertrauen ins Vergabewesen zu erhöhen und die festgestellten Defizite zu beseitigen. Gut, dass es mit Sicherheit nicht die letzte Novelle gewesen sein wird. (Stephan Heid, DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2011)