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Aktuelles Foto aus dem Kiewer Gerichtssaal.

Foto: REUTERS/Gleb Garanich

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Timoschenko im Gerichtssaal auf einem Archivbild.

Foto: AP

Begleitet von Massenprotesten hat ein ukrainisches Gericht Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Es sei erwiesen, dass Timoschenko 2009 mit Russland Gasverträge zum Nachteil der Ukraine abgeschlossen habe, urteilte Richter Rodion Kirejew am Dienstag in Kiew. Die EU kritisierte den Urteilsspruch und kündigte Konsequenzen für ihre Beziehungen mit der Ukraine an.

Der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, Timoschenko habe während ihrer Amtszeit ihre "Rechte und ihre Machtbefugnisse klar überschritten" und zu "kriminellen Zwecken" eingesetzt. Dies habe "schwerwiegende Konsequenzen" für die Ukraine gehabt. Kirejew bezifferte den Schaden für das Land auf umgerechnet rund 137 Millionen Euro. Die Politikerin wurde neben der Haftstrafe auch zu einer hohen "Entschädigungszahlung" verurteilt. Im Anschluss an die Haft soll sie drei Jahre lang keine öffentlichen Ämter ausüben können.

Bald Gesetzesänderung?

Kyryl Savin, Kiewer Büroleiter der deutschen Heinrich Böll-Stiftung, einer grün-nahen Denkfabrik, sagte im Gespräch mit derStandard.at, dass Timoschenko nun auch der Verlust des passiven Wahlrechts bis zur Parlamentswahl 2017 drohe. Andererseits, so Savin, brodle in Kiew dieser Tage die Gerüchteküche rund um den Fall Timoschenko. Das Parlament dürfte in dieser oder der kommenden Woche eine Gesetzesänderung beschließen, welche die Vergehen der Ex-Regierungschefin dekriminalisiert. "Timoschenko müsste, wenn der Artikel 365 in zweiter Lesung angenommen wird, nicht ins Gefängnis." Ministerpräsident Viktor Janukowitsch, ein erklärter Gegner Timoschenkos, könne dann weiter mit der EU über das geplante Assoziierungsabkommen und das Freihandelsabkommen verhandeln, so Savin.

"Freiheit für Julia!"

Kurz vor der Urteilsverkündung demonstrierten hunderte Menschen in Kiew für die Oppositionsführerin. "Freiheit für Julia" und "Nieder mit den Banditen" riefen Timoschenkos Unterstützer vor dem Gericht. Viele hatten dort ihre Zelte aufgeschlagen. Dagegen verlangten Gegendemonstranten eine Gefängnisstrafe für die prowestliche Oppositionsführerin. Zudem waren hunderte Polizisten an Ort und Stelle, um die Lage unter Kontrolle zu halten. Augenzeugen berichteten von chaotischen Zuständen rund um das Gerichtsgebäude auf der Hauptverkehrsstraße Kreschtschatik.

Noch während der Richter das Urteil sprach, kündigte Timoschenko an, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden zu wollen. Sie werde um ihren "ehrlichen Ruf" bis zum Schluss kämpfen.

Die Galionsfigur der "Orangen Revolution" von 2004 wirft Präsident Viktor Janukowitsch vor, die Opposition mit dem Prozess ausschalten zu wollen.

Die Europäische Union drohte der Ukraine im Gefolge des Urteils umgehend mit Konsequenzen. "Die Europäische Union wird ihre Politik gegenüber der Ukraine überdenken", sagte eine Sprecherin der EU-Außenpolitikbeauftragten Catherine Ashton am Dienstag in Brüssel. Der Fall trage das Risiko von "grundlegende Auswirkungen für die bilateralen Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine" mit sich - auch für den Abschluss des geplanten Assoziierungs- und Freihandelsabkommens.

Österreichs Außenminister Michael Spindelegger zweifelte am Rande des Ministerrats die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens in der Ukraine an. Er rechne damit, dass das Urteil im Berufungsverfahren noch geändert werde. (flon/APA)