Es herrscht das blanke Entsetzen im Forum! Herbert Prohaska will seinen Freunden Posten verschaffen! Werner Gregoritsch ist modernes Denken fremd! Toni Polster steht neben sich! Frenkie Schinkels besticht in erster Linie durch flotte Sprüche. Unsere User sind nach der ORF-Talkrunde vom Freitag außer sich, sie können es nicht fassen. Berichtet darüber, berichtet darüber, schreien Sie im Konzert, "sonst macht Ihr Euch mitschuldig". Aber werte User, diese Frage muss erlaubt sein, seid Ihr jetzt wirklich so überrascht?

Polster ist nicht ganz zufällig Trainer der Wiener Viktoria, Gregoritsch hat sich mit seinen Gedanken zur Homosexualität intellektuell ohnehin schon abmontiert, Frenkie Schinkels... Man kennt die Herren zur Genüge, war also wirklich anderes zu erwarten? Das Problem ist weniger die ohnehin altbekannte und antiquierte Denkweise der heimischen Meinungsmacher. Viel mehr muss man sich die Frage stellen: warum dürfen sie überhaupt monopolisierte Meinung machen? Und vor allem: warum dürfen sie alle ein und die selbe Meinung machen?

Zuletzt war der ORF richtig modern: Martin Blumenau durfte sich nach gefühlten 1001 kritischen Texten über den ÖFB der breiten Masse im Gespräch mit Willi Ruttensteiner mitteilen. Auch ein Vertreter des Austrian Soccer Board durfte dagegen halten. Aufbruchstimmung! Und nun? Von sieben geladenen Gästen haben sich mit Prohaska ("Man weiß, dass ich eine andere Lösung bevorzugt hätte"), Gregoritsch ("Ich glaube, dass eine österreichische Lösung angebracht gewesen wäre") und Schinkels ("Koller? Das ist doch kein Name") drei schon vor der TV-Runde gegen den neuen Teamchef ausgesprochen. Polster ließ starke Skepsis durchblicken und von Helge Payer darf man sich als Teamspieler keine überkritische Meinung in Sachen ÖFB erwarten.

Die am Freitag eingeladene Talkrunde singt also mehr oder weniger im Chor, einzig Moniz und mit Abstrichen Mählich tanzen aus der Reihe. Zwei objektive und vorurteilsfreie, also auch ernstzunehmende Gesprächspartner sind in einer solchen Sendung zu wenig. Auf diesem Weg kann keine interessante und konstruktive Diskussion entstehen. Der ORF muss sich bei der Nase nehmen, denn der Druck steigt: die Diskussionen auf ServusTV erregen zwar noch nicht massenhaftes Aufsehen, dafür setzen sie in puncto Qualität aber den Maßstab. Und das liegt nicht nur am zeitgenössischen Studio-Design sondern auch an der höheren Diskussionskultur, die von Gästen wie Felix Magath oder Ralf Rangnick mitgetragen wird.

Im Zuge der Wortmeldungen unserer Fußball-Oldies entsteht nun ein Missverständnis: Marcel Koller ist nicht der richtige Mann, weil ihn alle für den falschen halten. Dieser von Armin Wolf per Twitter formulierte und in einer Kolumne wiederholte Gedanke ist zu kurz gegriffen. Man wird den Schweizer an den Ergebnissen seiner Arbeit messen müssen und nicht an den entbehrlichen Wortspenden mancher Opinion Leader. Sonst wäre bereits Karel Brückner die perfekte Lösung gewesen. (derStandard.at; 10. Oktober 2011)