Meint es Kardinal Schönborn mit dem Exorzismus tatsächlich ernst?

Foto: Christian Fischer/STANDARD

Erst ein Dementi zu einem Falter-Artikel („Der Exorzist am Krankenbett") brachte die offizielle Information: Nein, es werden keine Exorzismen durch den dafür Beauftragten der Erzdiözese Wien in einem Wiener Spital durchgeführt, hieß es seitens der Pressestelle der Erzdiözese. Umkehrschluss: Anderswo schon.

So wurde der Namen von Schönborns Exorzisten bestätigt: Prof. Larry Hogan, hauptberuflich Rektor einer stramm traditionalistischen theologischen Hochschule. Auf der offiziellen Internet-Seite der Erzdiözese gibt es bis heute keine Beschreibung und Anlaufstelle für diese Funktion.

Der Exorzismus werde, so die Presseaussendung abwiegelnd, "ausschließlich Menschen angeboten, die darum bitten". - Fein, dass die Kirche keinen Zwangsexorzismus mehr in Betracht zieht. Darüber hinaus wurde betont, es gehe lediglich um "Befreiungsgebete". Damit will man den skandalumwitterten Begriff "Exorzismus" meiden. Warum aber soll es für Gebete zum Heil ein Sonderwissen außerhalb der normalen Seelsorge geben? (Auch nach dem Begriff "Befreiungsgebet" sucht man auf der diözesanen Homepage übrigens vergeblich)

Vor allem aber heißt es: "Fälle tatsächlicher Besessenheit gelten als sehr selten". Das verniedlichende "selten" soll wohl verwischen, dass der Kardinal - selten aber doch - eine reale Gefahr sieht, ein Mensch könne von einem personalen Dämon in Besitz genommen werden.

Jetzt wird es spannend: Besteht die Gefahr tatsächlich, dann wäre eine breite kirchliche Aufklärungskampagne dringend geboten (und die Geheimnistuerei wäre der Skandal). Besteht die Gefahr nicht, wäre dem Treiben - um der psychischen Gesundheit der Gläubigen willen - unbedingt Einhalt zu gebieten.

Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings groß, dass es Schönborn mit dem Exorzismus tatsächlich ernst meint - und ihm nur der Mut zur Aufklärungskampagne fehlt.

Teufel sind gefallene Engel. Engel beschreibt der amtierende Papst, wenn er aufgeklärte, moderne Theologie betreibt (merke Ratzinger und Schönborn können mal so mal so) als „Gedanken Gottes". Neben diesem Zitat heißt es über die Engel im soeben unter Schönborns Stabsführung formulierten Jugendkatechismus "YouCat" aber auch viel traditionalistischer: "Sie sind nicht körperlich, nicht sterblich und für gewöhnlich nicht sichtbar."

Das wiederum verniedlichende "für gewöhnlich" schließt den Glauben ein, dass sie sich manchmal doch blicken lassen. (Warum braucht man bei kirchlichen Aussagen immer so viele Umkehrschlüsse, um zum Kern zu kommen?)

Wie das Sichtbarwerden geht? Der "YouCat" ist in dieser Hinsicht ein Lückentext. Thomas von Aquin hat es in seiner Summa Theologiae beschrieben (seither haben sich nicht mehr allzu viele Theologen damit beschäftigt): "Und so nehmen die Engel Körper aus der Luft, welche sie durch Gottes Kraft verdichten, soweit es notwendig ist zur Bildung des anzunehmenden Körpers".

Natürlich beherrschen nach dieser mittelalterlichen Vorstellung auch die Teufel diesen Trick und verschaffen sich so beispielsweise sexuelle Vergnügungen, also jene Teufelsbuhlschaften, die zu zahlreichen Hexenverbrennungen führten. (Mehr dazu findet man in Ute Leimgrubers empfehlenswerten Buch: Teufel, die Macht des Bösen, Butzon&Bercker 2010).

So schnell ist man nämlich im tiefsten Mittelalter, wenn man die metaphorische Sprache der Bibel über die Mächte des Guten und Bösen so liest als wäre beispielsweise die Erschaffung der Welt in sieben Tagen eine journalistische Reportage. Das genannte Teufels-Werk der jungen Pastoraltheologin aus Fulda empfehle ich dem Kardinal für eine Theologie und für ein Sprechen vom Teufel, das nicht hinter die Aufklärung zurückfällt. Dann kann er die Position des Exorzisten getrost wieder verwaisen lassen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (derStandard.at 10.10.2011)