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Berlin/Hamburg/Wien - Über den Handel mit Stromüberschüssen und Stromgeschäfte zwischen Deutschland und Österreich empörte sich am Wochenende die deutsche "Bild"-Zeitung. Dem Thema war am Samstag eine Titelgeschichte auf Seite eins gewidmet: "Irrsinn! Deutschland verschenkt Strom ins Ausland ... und wir kaufen ihn für teures Geld zurück." sowie "Unglaublich! Österreich verkauft uns den Strom, den wir vorher verschenkt haben."

Die deutsche Energiewende führt in den Augen des Boulevardblatts zum Energie-Chaos. Künftig werde immer mehr deutscher Ökostrom ins Ausland verschenkt. "Bild" erklärt den "Irrsinn" so: Oft werde Strom aus Wind und Sonne zur falschen Zeit am falschen Ort produziert - Angebot und Nachfrage passten einfach nicht zusammen. Weil Speicher fehlten, bauten sich überschüssige Mengen auf, die nur noch über die Leipziger Strombörse EEX verkauft werden könnten.

Wenn aber niemand den teuer erzeugten Strom haben wolle, werde er zur Not an Abnehmer ins Ausland verschenkt. Im Extremfall komme es sogar zu "negativen Preisen" von bis zu 500 Euro pro Megawattstunde. Wer, so kritisiert sich das Blatt, den Strom vom Markt nehme, bekomme noch einen Haufen Geld dazu.

In der Vergangenheit hätten mehrfach Energieversorger aus den Nachbarländern Schweiz und Österreich, die große Pumpspeicherkraftwerke besitzen, den Gratis-Strom abgenommen. Sie nutzten die Energie, um Wasser den Berg hochzupumpen, das am nächsten Tag bergab fließe und über Turbinen Spannung erzeuge, die als teurer Strom aus Wasserkraft zurück nach Deutschland verkauft werde.

"Das ist aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht besonders sinnvoll, zumal Wind- und Sonnenenergie mit rund 8,5 Milliarden Euro im Jahr subventioniert werden", wird Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie-Agentur, zitiert. "Der Missstand wird sich in Zukunft sogar noch verschärfen, weil der Sektor weiter ausgebaut werden soll."

An warmen Sommertagen werde wenig Strom verbraucht, gleichzeitig speisten Fotovoltaik-Anlagen jede Menge Energie ein, die gerade niemand brauche. Konventionelle Kraftwerk (Kohle, Gas) würden aber nicht abgestellt, sondern bieben zur Versorgungssicherheit am Netz - um Spannungsschwankungen aus der Ökostrom-Produktion auszugleichen. Für die Stromerzeuger sei es auch deshalb günstiger, den Strom zu verschenken, weil ein ständiges Ab- und Anschalten herkömmlicher Kraftwerke viel teurer wäre, so das Blatt. RWE-Chef Jürgen Großmann forderte, der von allen deutschen Verbrauchern finanzierte grüne Strom dürfe nicht verschenkt werden. Darum müsse Deutschland möglichst schnell Stromspeicher bauen, vor allem Pumpspeicherkraftwerke. (APA)