Foto: Andreas Hackl
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Zum Versöhnungstag Jom Kippur steht das jüdische Israel im Zeichen von Reue und Buße. Schon Freitagnachmittag vor dem Fasttag, der mit dem Sonnenuntergang beginnt und bis zum Samstagabend andauert, herrscht absolute Ruhe in den Straßen. Nur vereinzelt spazieren Leute umher. Einige kaufen hektisch noch schnell Lebensmittel ein, damit der Bauch voll wird, bevor der 24-stündige Verzicht beginnt.
„Manche Leute fiebern das ganze Jahr auf diesen Tag hin", erklärt ein junger Amerikaner, der seit einigen Monaten im religiösen Jerusalemer Stadtteil Mea Shearim lebt. Der Jom Kippur sei dazu da, über das Vergangene nachzudenken und die eigenen Sünden los zu werden. „Der Effekt auf die Psyche kann stark sein. Ständiges beten und nachdenken kann einen neuen Menschen aus dir machen", erklärt er.

Während der Fastenzeit kommt das gesamte Land zum Stillstand. Der Flugverkehr wird bis Samstag 21:30 ausgesetzt und ein Großteil der jüdischen Bevölkerung verzichtet auf jeglichen Luxus wie Mobiltelefone, Autos und Strom. So verlangt es das jüdische Recht, die Halacha.
Doch der Stillstand birgt auch Gefahren. Tief sitzt die Erinnerung an den Jom Kippur Krieg von 1973, als am 6. Oktober ägyptische und syrische Streitkräfte Israel überraschend angriffen. Doch gefährliche Reibungspunkte gibt es auch im Inneren des Landes. In der nördlichen Küstenstadt Akko wo sowohl palästinensische als auch jüdische Israelis leben ist es am Jom Kippur vor drei Jahren zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Weil ein Palästinenser mit dem Auto durch ein jüdisches Viertel fuhr, attackierten ihn die erzürnten Bewohner, was zu wütenden Protesten auf beiden Seiten führte. Um Ähnliches zu verhindern, hat sich die israelische Polizei schon im Vorfeld mit offiziellen Vertretern palästinensischer Israelis getroffen.

Die jüdisch-arabische Stimmung bleibt auch wegen den Vorkommnissen der letzten Tage angespannt. Erst Montagmorgen hatten extremistische Siedler eine Moschee in dem Beduinen-Ort Tuba Zangaria angezündet. Doch der Imam des Gotteshauses, Fuad Zangaria, erklärte heute gegenüber dem Magazin +972: "Wir sind das einzige arabische Dorf in der Gegend. (...) Alle unsere Nachbarn sind Juden, mit denen wir immer eine freundliche Beziehung hatten. Wer auch immer diese schreckliche Tat begangen hat, wollte diese gute Beziehung zerstören. Und ich sage, das wird nicht passieren."

Aus Gründen der Sicherheit, wohl aber auch um Soldaten die Feierlichkeiten mit der Familie zu ermöglichen, wurden außerdem alle Übergänge zum Gazastreifen, im Westjordanland und zu Jordanien geschlossen. Wenn Israel Samstagnacht wieder aus dem Tiefschlaf erwacht, werden schließlich auch alle anderen wieder ihrem gewohnten Alltag nachgehen können.

Nach Sonnenuntergang erobern die Menschen die Straßen für sich. Kein einziges Auto ist zu sehen, Gruppen sitzen im Kreis auf Kreuzungen und beten, dazwischen düsen immer wieder auch palästinensische Jugendliche mit Fahrrädern durch. Die Ruhe scheint allen gut zu tun.