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Foto: EPA/Wainwright

Wie sich die Geldflut auf die Lebensmittelpreise auswirkt, erklärt US-Handelsexperte Maximo Torero vom International Food Policy Research Institute (IFPRI). 

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Standard: Obwohl sich der Anstieg verlangsamt hat, sind die Preise für Grundnahrungsmittel auf einem Rekordlevel. Der am Weltmarkt begehrte US-Weizen kostet heute um ein Viertel mehr als im September 2010. Was treibt die Preise so?

Torero: Der Preisanstieg hat viele Auslöser: Der wichtigste ist die Konzentration des Weltmarktes in den Händen weniger Länder. Die fünf größten Weizenexporteure beherrschen 80 Prozent des Marktes, bei Reis beläuft sich die Konzentration auf 76 Prozent. Wenn auch nur einer der Top-Produzenten, so wie derzeit Thailand, seine Ausfuhren begrenzt, schießen die Preise hoch. Zweites Kernproblem ist Biosprit, dessen Produktion in der EU und in Amerika subventioniert wird. In den USA wird inzwischen 30 Prozent des Maises für Biosprit genutzt, was die Preise treibt. Hinzu kommen die negativen Folgen des Klimawandels. Daneben gibt es andere Faktoren, und da kommt auch Spekulation ins Spiel. Als Folge der Krise haben Notenbanken die Märkte mit Geld geflutet. Diese Geldflut treibt die Preise für Nahrung. Denn an den Aktienmärkten geht es mit den meisten Werten derzeit bergab. Nahrungsmittel hingegen werden tendenziell teurer, sind also interessant für Investoren. Das hat weitreichende Auswirkungen.

Standard: Welche?

Torero: Die Geldmenge, die Finanzmarktfonds in Nahrungsmittel investieren, ist seit 2003 um 2300 Prozent gestiegen. Die wenigsten dieser Verträge laufen auf die tatsächliche Lieferung von Waren hinaus. Heute werden dreimal so viele Termingeschäfte (Verträge über die künftige Lieferung von Waren, Anm.) mit Mais abgeschlossen, als es Mais tatsächlich gibt. Nur zwei Prozent der Kaufverträge für Weizen, Mais und Soja münden in Warenlieferungen. Die große Menge an Transaktionen lässt die Preise steigen. Das größere Problem ist aber, dass die hohe Liquidität dazu führt, dass Preise immer volatiler werden.

Standard: Was bedeutet das?

Torero: Zwischen 2001 und 2006 gab es 165 Tage mit exzessiver Volatilität, also ungewöhnlichen Preisausschlägen, bei Nahrungsmitteln. Zwischen 2007 und Juni 2011 waren es schon 381 Tage. Die Volatilität an den Börsen hat sich also fast verdreifacht. Das schafft einen Teufelskreis, weil immer mehr Zocker angelockt werden, die mit den drastischen Preisausschlägen ihr Geld verdienen.

Standard: Das klingt so, als würden Spekulanten eine wesentliche Rolle spielen.

Torero: Da muss man vorsichtig sein. Spekulation ist grundsätzlich nichts Schlechtes, denn sie schafft jene Liquidität, die nötig ist, damit ein Warenhandel überhaupt zustande kommt. Das Problem ist exzessive Spekulation. Bei der Hungerkrise im Jahr 2008 ließ sich ganz klar zeigen, dass die Zocker mit ihren Wetten die Preise hinaufgetrieben haben. Derzeit lässt sich mit Sicherheit nur sagen, dass die Liquidität am Markt enorm groß ist und die Preise dadurch steigen. Ob dabei auch exzessive Spekulation mit im Spiel ist, kann ich nur vermuten - aber statistisch derzeit nicht belegen.

Standard: Gäbe es irgendwelche Instrumente, um die Preisausschläge zu dämpfen?

Torero: Natürlich. Das ließe sich leicht regulieren. Zum Beispiel durch strengere Auflagen für Termingeschäfte an den Rohstoffbörsen. Aber nur weltweit konzertierte Aktionen würden helfen: Wenn die Börse in Chicago strenge Auflagen erteilt, weichen Investoren sofort nach New York, London oder Paris aus. Die G-20-Staaten können sich nicht auf eine strengere Regulierung der Märkte einigen. Daher wird derzeit zumindest versucht die international erhältlichen Informationen über Lagerbestände zu verbessern. Das wäre schon immens hilfreich. 2010 hat Russland einen Exportstopp für Weizen verhängt. Die Preise schossen nach oben, viele arabische Länder tätigten teure, panikartige Einkäufe. Dabei waren die Lager in den USA und in Argentinien gut gefüllt, es hätte nie zu diesem Preisanstieg kommen dürfen, nur wusste das keiner. Der zweite wichtige Schritt wäre, Entwicklungsländer besser über die Marktlage zu informieren. Nach exzessiven Ausschlägen, tendieren die Preise an den Märkten wieder nach unten. Nur nützen das Entwicklungsländer in den seltensten Fällen aus. (András Szigetvari, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 8.10.2011)