Bild nicht mehr verfügbar.

Kennen Sie das? Glück oder Zufall werden oft als Erfolgsfaktoren im Job genannt.

Foto: APA/Kay Nietfeld

Eine genauere Tiefenanalyse verschiedener solcher Erzählungen durch Kolleg/inn/en der Universität Loughborough in Großbritannien zeigt, dass der Verweis auf Glück und Zufall nur selten genau das meint. Oft ist damit nur ein "diskursives Kürzel" ausgesprochen für andere, in der offenen Alltagskommunikation weniger leicht verwendbare Erklärungen. Typischerweise fallen folgende Bedeutungen an:

  • Purer Selbstschutz - wer Glück hat, darf auch Pech haben. Und wenn die höheren Mächte nicht wollen, dann kann man gar nichts machen. Die Verantwortung für zukünftigen Misserfolg wird damit nach außen abgegeben, das eigene Selbst und sein Wert bleiben auch in solchen Fällen dann intakt und sind nicht gefährdet.
  • Gefälliger Deckmantel für mikropolitische Geschicklichkeit - wer sagt schon offen über sich, dass "Tarnen und Täuschen", Intervenieren und mikropolitische Machtspiele zum eigenen Repertoire gehören und auch noch erfolgreich waren? Der Verweis auf den Zufall und das Glück vernebelt hier ein wenig und macht das Ergebnis für das Gegenüber akzeptabler.
  • Bescheidenheit - entweder echt oder im Sinne eines "fishing for compliments". Karriereerfolg fällt normalerweise auf einen selbst zurück. Nicht alle fühlen sich dabei wohl. Der Verweis auf den Zufall entlastet, entweder in Richtung echter Bescheidenheit oder im Sinne eines Signals zum Einheimsen von Lob.
  • Minderwertigkeit - ich habe das gar nicht verdient. Wer Erfolg hat, den aber nicht zu verdienen glaubt (das gibt's!), der leidet, vor allem dann, wenn es gar den eigenen Anstrengungen zu verdanken ist. Attribution auf das Glück rückt das zumindest ein bisschen wieder zurecht: Wenigstens hat man zu seinem Erfolg nichts beigetragen.
  • Soziale Strukturen und Makro-Kontext - wer durchschaut schon, warum und wie der Kontext da draußen tatsächlich wirkt. Wir wissen, dass soziale Herkunft, Familiensituation, Geschlecht, Arbeitsmarktsituation, Konjunktur oder Ethnizität wesentliche Einflussfaktoren in Bezug auf Karrieremuster sind. Alles viel zu kompliziert. Die normale Interaktion kann das nicht auseinanderdröseln, da sind Glück und Zufall anschlussfähiger.
  • Purer Neid, wenn es sich auf andere bezieht - das wäre ja noch schöner, wenn gerade der oder die sich das echt verdient hätte. Ich habe es nicht geschafft, da kann man bei dem oder der nur aber wirklich nur von echtem Zufall sprechen.

Wenn also das nächste Mal jemand in Verbindung mit Karriere von Zufall und Glück spricht - einfach den Hut des naiven Alltagsforschers aufsetzen und ein wenig nachfragen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt dann der "tiefere Sinn" bald zutage. (Wolfgang Mayrhofer, DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.10.2011)