Wien/Washington - Wo die meisten Menschen nur einen gigantischen Scherbenhaufen sehen, erblickt Xavier Jordan von der Weltbank einen Markt. Hohe Arbeitslosigkeit und fallende Währungen haben dazu geführt, dass in Ost- und Südosteuropa tausende Menschen die Raten für ihre Bankdarlehen nicht bezahlen können.

In Rumänien sind 31 Prozent der Kredite notleidend, Ratenzahlungen werden also verspätet oder nicht geleistet. In der Ukraine sind sogar 40 Prozent aller Kredite faul.
Jordan und seine Kollegen von der Weltbank-Gruppe in Washington starten eine neue Initiative, um das Problem in Griff zu bekommen. Die Idee: Die Weltbank will einen speziellen Fonds auflegen, mit dem sie angeschlagenen Konzernen die Schulden abkauft. Investiert werden soll in Länder wie Ukraine, Serbien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien.

Als Partner dürfte nach Informationen des Standard die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB) mit an Bord gehen. In einem ersten Schritt planen Weltbank und OeEB, 100 Millionen Dollar aufzustellen (75 Millionen Euro). Der US-Investmentfonds Gramercy soll noch einmal dieselbe Summe drauflegen. „ Wenn das Projekt läuft, könnten die Investments beträchtlich erweitert werden", meint Jordan.

Konkret will die Weltbank Unternehmen günstig Gelder zur Verfügung stellen und dafür Anteile an diesen Firmen erwerben. Gleichzeitig müsste die Privatbank, bei dem der Konzern sein Darlehen ursprünglich aufgenommen hat, eine Zahlungserleichterung gewähren. Damit will die Weltbank zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Angeschlagene Unternehmen sollen gesunden. Gleichzeitig ist die Aktion auch als Bankenhilfe konzipiert, weil die Privatgläubiger hoffen dürfen, einen Teil ihres Geldes wiederzusehen.

Österreichische Banken, die im Osten tätig sind, könnten besonders von dem Projekt profitieren, heißt es in Washington.

Doch der Plan gilt unter Experten als hoch riskant: Weltbank und OeEB würden in angeschlagene Konzerne investieren, die pleitegehen könnten. In Washington wurde das Projekt bereits genehmigt, die OeEB prüft noch, eine Entscheidung soll bald fallen. Für die Entwicklungsbank dürfte das Projekt noch aus einem weiteren Grund heikel sein: Die OeEB steht im Eigentum der Republik und soll laut Gesetz „Projekte in Entwicklungsländern" fördern. Sollten faule Kredite tatsächlich in Rumänien und Bulgarien gekauft werden, wäre das eine Auftragsverfehlung - beide Länder gelten laut OECD nicht als entwicklungshilfetauglich, auch Kroatien dürfte diesen Status bald verlieren.

„Tarnen und Täuschen"

Dabei sind Geschäfte mit faulen Krediten an sich keine Besonderheit. In den USA und Südamerika verkaufen Banken regelmäßig Risiko-Portfolios an Investoren. In Osteuropa ist hingegen noch kein richtiger Markt dafür entstanden, und das, obwohl in der Region nach einigen Schätzungen faule Kredite im Wert von 200 Milliarden Dollar schlummern.

In einem ersten Anlauf hat die Weltbank 2010 versucht, in Osteuropa ganze Kreditportfolios - also tausende faule Darlehen auf einmal - gebündelt zu kaufen. Bis heute kam kein Deal zustande.

„Die Banken weigern sich zu verkaufen, weil sie das Problem der faulen Kredite nicht in ihren Bilanzen anerkennen wollen. Solange sie Sicherheiten in der Hand halten, können sie großzügig bilanzieren und müssen Verluste nicht ausweisen. Wenn sie ihre faulen Kredit verkaufen, müssen sie dagegen wertberichtigen", sagt Martha Mueller von der International Finance Cooperation, einer Tochtergesellschaft der Weltbank. Sie spricht von einer Strategie des „Tarnens und Täuschens".

Daher zielt die neue Initiative darauf ab, direkt mit Unternehmen handelseins zu werden. Fondsmanager Gramercy hat bereits eine Liste mit 20 Unternehmen erstellt, in die investiert werden soll. (András Szigetvari, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 7.10.2011)