Stefan Ottrubay, der "geschäftsführende Fürst Esterházy", brachte aus seiner Heimat Schweiz eine hierzulande fast exotisch anmutende Steuermoral mit.

Foto: Hans Wetzelsdorfer, www.wetzelsdorfer.at

STANDARD: Sie stehen - neben Richard Lugner und Alfons Mensdorff-Pouilly - gerade im Zentrum einer Kampagne der Sozialistischen Jugend Burgenland, die mit einigem Rückenwind der Gesamtpartei "Tax the rich" fordert. Verärgert Sie so etwas?

Ottrubay: Eine süße kleine Kampagne - die Diskussion über Vermögen, die Reichen und deren Besteuerung, muss in einer Gesellschaft immer wieder geführt werden. Österreich erreicht jetzt diesen Punkt nach 20 Jahren erfolgreichem wirtschaftlichen Aufschwung, jetzt wo die Finanzkrise einen existentiellen Druck bedeutet. Da darf man den Jungsozialisten absolut keinen Vorwurf machen, wenn sie sich das - im wahrsten Sinn des Wortes - aufs Leiberl heften. Und es werden eben Köpfe gezeigt, da man gerne personalisiert.

STANDARD: Wieviel Steuern zahlt Esterházy?

Ottrubay: Im Schnitt 5,5 Millionen im Jahr bei ca. 300 Mitarbeitern. Damit gehören wir, im privaten Bereich, sicher zu den größten Steuerzahlern des Burgenlandes.

STANDARD: Wie viel ist das netto, wenn man es gegenrechnet mit den Förderungen? Esterházy ist schließlich auch ein subventionierter Bauer.

Ottrubay: Ein Großteil der Förderungen kommt von der EU und geht in die Lebensmittelsubventionierung. Der österreichische Teil der Landwirtschaftsförderung bewegt sich weit unter einer halben Million.

STANDARD: Relativ ernsthaft wird, aus pragmatischen Gründen, vor allem über zwei Formen der Vermögenssteuer debattiert: jene auf Erbschaft und jene auf Grund und Boden. Esterházy wäre als größter privater Grundbesitzer Österreichs davon besonders betroffen.

Ottrubay: Erstens: Es ist wichtig, Steuern zu zahlen. Ich muss für mich sagen, ich bin stolz Steuern zu zahlen; und ich hoffe, das gilt auch für meine Mitarbeiter! Aber - jetzt kommt das Komma - man unterstützt damit ja den Staat, die öffentliche Hand bei ihren Dienstleistungen. Da erwarte ich auch eine entsprechende Dienstleistungseinstellung. Wenn man von gewissen Stellen bewusst gepiesackt wird, dann passt das nicht ganz ins Bild! Aber ich sage immer, wir sind als Unternehmen stolz, Steuern an einen funktionierenden Staat zu zahlen!

STANDARD: Sie wären der erste Österreicher, der das tut.

Ottrubay: Ich bin in der Schweiz aufgewachsen, wo die Steuerregister offenliegen, wo man leicht die Steuerleistung des Nachbars, seines Chefs, von geliebten oder ungeliebten Bekannten abfragen kann. Da entwickelt man als Steuerzahler einen gewissen Stolz: Man ist, ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Und von daher ist natürlich der Vermögende in einer Position, wo er mehr leisten will, aber auch die Anerkennung dafür erhält.

STANDARD: Aber? Es klingt, als gäbe es auch hier noch ein Komma.

Ottrubay: Wenn man in der österreichischen Gesellschaft anschaut, wie viele Ausnahmen es gibt, wie viele Menschen unter der Bemessungsgrundlage liegen, Landwirte pauschaliert werden etc. und wie viele freiwillig verzichten, in den Wirtschaftskreislauf eingebunden zu sein, dann sehe ich ein Problem. Die Mehrheit ist nicht wirklich ein Beitrager für die staatliche Dienstleistung, es hat sich eine Haltung breitgemacht, die "Mitfahrgelegenheiten" sucht.

STANDARD: Eine Frage an Sie als Schweizer mit ungarischen Wurzeln, der seit elf Jahren in Österreich nicht nur aufhältig, sondern auch wirtschaftlich tätig ist: Ist das etwas typisch Österreichisches oder doch eher etwas, das in der Zeit liegt?

Ottrubay: Es liegt sicher in der Zeit der Finanzkrise, hier kann sich der Staat nicht mehr alles leisten. Es muss sicherlich mit Massenkürzungen gerechnet werden, etwa bei den Pensionen, bei Förderungen und Zuschüssen. Ich glaube, dass dort, wo der politische Apparat sehr abgehoben von der Bevölkerung agiert, die diesbezüglichen Spannungen besonders hoch sein werden. Österreich liegt in Europa wahrscheinlich im Mittelfeld. Griechenland, die lateinischen Staaten, sind in einer weit schwierigeren Situation. Dort ist die Identifizierung der Bürger mit ihrem Staat schlicht nicht mehr gegeben.

STANDARD: Das außereuropäische Schweizer Modell als Konzept für die EU?

Ottrubay: Das ist kein schweizerisches Modell, sondern eines der überblickbaren Kleinheit. In kleinen Einheiten ist die Identifikation des Einzelnen mit der Gesellschaft viel stärker. Wenn Sie mit Luxemburgern sprechen: die sind der Staat. Da hält man zusammen, das sind 400.000 Menschen, aber es wird in der Verwaltung auch jeder Cent zweimal umgedreht. Da haben wir in Österreich noch ein großes Potenzial!

STANDARD: Die Verwaltungsreform wäre die Voraussetzung für eine Reichensteuer?

Ottrubay: Es muss an vielen, vielen Stellschrauben gedreht werden. Gewisse Kampfgruppen haben sich enorm einbetoniert. Man kennt sie, es sind nicht nur die Beamten. All denen müsste man sagen, ihr müsst euren Beitrag für die gesellschaftliche Entwicklung leisten, also kurz: Verantwortung tragen. Sehr wünschenswert wäre die Einführung einer Finanzverantwortung auf Landesebene. Ein Teil der Gesamtsteuer, sagen wir: 20 Prozent, soll den Ländern zufließen. Die Länder sollen also ein volles Budget bekommen, nicht wie jetzt ein einbeiniges, in dem nur ausgegeben, aber nichts eingenommen wird. Das schafft die Verantwortung dem Bürger gegenüber.

STANDARD: Ich wüsste nicht, wer die Länder dazu zwingen würde.

Ottrubay: Jeder Kiosk-Trafikant weiß, dass es eine Einnahmen- und eine Ausgabenseite gibt. Auf Landesebene hat man das sehr stark ausgeblendet, aber ich bin mir sicher: In kürzester Zeit wäre das gelernt. Wenn eine Boutique-Betreiberin es kann, wird das auch die Landesverwaltung einführen können. Aber es sind ja nicht nur die Länder. Auch in der Wiener Bundesverwaltung haben sich viele daran gewöhnt, dass das Geld in angenehmen, langen Verhandlungen wohltätig - quasi fürstlich - den Ländern übertragen wird. Eine direktere Zuordnung von Kosten- und Einnahme schafft eine Nähe zum Bürger.

STANDARD: Das Steuersystem an sich würden Sie so belassen, wie es ist?

Ottrubay: Absolut nein. Die Arbeit ist deutlich zu hoch belastet. Ich bringe immer das Beispiel unserer Weihnachtstantiemen. Dort erreichen die Steuern 50 Prozent plus ein paar Prozent Kleinabgaben. Ein Finanzstaatssekratär hat mir einmal gesagt: Herr Ottrubay, Sie wissen ja, wie man das elegant umgeht, man verteilt die Tantiemenzahlungen auf die nächsten zwölf Monate. Worauf ich ihm gesagt habe: Sie haben wahrscheinlich noch nie in einem wirklich leistungsorientierten Unternehmen gearbeitet. Ironisch würde ich sagen: Schauen sie sich die Hocheggers an, da werden die Erfolgstantiemen auch zeitnah mit dem "Erfolg" bezahlt. Dort weiß man offenbar, wie die Motivation schnell umzusetzen ist. Ein vernünftiger Steuersatz, das weiß man international, soll so zwischen 35 und 40 Prozent liegen, sodass man also den spürbar größeren Teil noch in der Lohntüte hat. Hier wäre anzusetzen, und dann lässt sich auch entspannter und sinnvoller über Reichensteuer reden. Das muss die Politik jetzt in die Hand nehmen. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe, Langfassung, 7.10.2011)