Das Projekt "Start-Alumni" holt Studierende ins Klassenzimmer, um Schülern mit Migrationshintergrund zu zeigen, das höhere Bildung für sie zugänglich ist.

Foto: Standard/START-Alumni

Besuch aus der Politik: Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz schaut den Schülern über die Schulter, wie sie ihren Bildungsweg spielerisch beschreiten.

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Wien - Kurz vor acht herrscht reges Treiben vor der Direktion der Volksschule Rothenburgstraße im 12. Wiener Bezirk. Eltern bringen ihre Sprösslinge in die Schule, Lehrerinnen bereiten sich auf die erste Stunde vor, und aus dem Turnsaal ist lautstark der Soundcheck für das Rock me Amadeus-Musical zu hören. Vor allem in der 4D ist Hochbetrieb: In der bunt geschmückten Klasse basteln die Schüler Namensschildchen, während neun Studierende "Meine Zukunft, das bin ich!" vorbereiten.

Das Projekt von "Start-Alumni" geht mit diesem Klassenbesuch in die letzte Runde. "Wir haben uns das Ziel gesetzt, Schüler mit Migrationshintergrund über mögliche Bildungswege zu informieren und sie zu motivieren, eine höhere Ausbildung anzustreben", erklärt der 20-jährige Ara Karapetyan, Vorsitzender des Vereins, der aus dem Stipendienprogramm Start hervorging. Zum Abschluss des Projekts kommt Besuch aus der Politik: Der Staatssekretär für Integration, Sebastian Kurz, hat sich für heute angekündigt. Der 25-jährige Jungpolitiker unterhält sich mit den Schülern, die sich fast alle für das Gymnasium entschieden haben, und zeigt sich angetan von dem Projekt: "Start als solches bringt sehr viel, da junge Leute mit Migrationshintergrund gezielt gefördert werden und zur Motivation für andere dienen", sagt der ÖVP-Politiker. Deutschkenntnisse sind für Kurz dabei entscheidend. Anfang dieser Woche stellte sein Staatssekretariat die für 2012 geplanten Förderungen vor, darunter das "Deutschpaket". Es umfasst mehr als zwei Millionen Euro. Auch wurde der Ausbau der Kinderbetreuung beschlossen. Kurz fordert sogar ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, wenn das Kind nicht ausreichend Deutsch spricht.

Schrei nach dem Deutschkurs

Gabriele Edlinger, Direktorin der Rothenburgstraße, hat sehr klare Vorstellungen von einer guten Integration ihrer Schüler. Sie ist für ein verpflichtendes Kindergartenjahr, betont jedoch viel mehr das Konzept des Muttersprachenunterrichts als "Schlüssel zum Erfolg". Edlinger machte die Erfahrung, dass Kinder, die kaum ein Wort Deutsch können, ihre Muttersprache jedoch beherrschen, schneller Deutsch lernen als die sogenannten "entwurzelten" Kinder. "Das sind die Kinder, die überhaupt keinen Bezug zu ihrer Heimat haben", sagt Edlinger und setzt fort: "Da kann man noch so viele Deutschkurse machen, die lernen nie so gut Deutsch wie andere Kinder. Ich glaube, das haben Politiker, die immer nach Deutschkursen schreien noch nicht begriffen."

Karapetyan, der nun Internationale Entwicklung und Politikwissenschaften studiert, hat seinerzeit selbst das Start-Stipendium erhalten, das engagierte junge Migranten auf dem Weg zur Matura unterstützt. Start wird jährlich vergeben: Letzte Woche wurden wieder 16 Jugendliche in das Programm aufgenommen. Gemeinsam mit ehemaligen Mitstipendianten hat er nun "Start-Alumni" ins Leben gerufen.

"Wenn man die Kinder nach ihrem Traumberuf fragt, kommt oft die Antwort Friseurin oder Automechaniker. Das ist sehr schade, denn wir haben sehr viele begabte Kinder mit Migrationshintergrund", erzählt Direktorin Edlinger. Die Klassenlehrerin Stephanie Hechtl fügt hinzu, dass viele der Schüler nicht wissen, welche Berufe es überhaupt gibt, da viele ihrer Eltern arbeitslos sind. Darum hat Hechtl, in deren Klasse 20 der 22 Kinder Migrationshintergrund haben, die Stipendiaten kontaktiert.

Den Traumjob erraten

Begonnen hat das Projekt im vorigen Schuljahr mit einem interkulturellen Frühstück. In den darauffolgenden Workshops lernten die Schüler spielerisch verschiedene Berufe kennen. In kleinen Gruppen lösen die Kinder Kreuzworträtsel, spielen "Beruferaten" und bestreiten den Weg zum Traumjob. "Wir haben sozusagen aus dem österreichischen Bildungssystem ein Brettspiel aufgebaut", erklärt der 18-jährige Segal Hussein, Öffentlichkeits- und Kommunikationsbeauftragter des Vereins. Angefangen bei der Volksschule, können die Schüler ihren Bildungsweg gehen. Dabei gibt eine Studentin einen kurzen Überblick über die verfügbaren Bildungseinrichtungen. Dann gilt es, sich selbst für einen der möglichen Wege zu entscheiden. (Thomas Kriz, Selina Thaler, DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2011)