Beweglicher Blickfang des neuen Sauriersaals: das über sechs Meter große Animatronics-Modell eines Allosaurus, des gefährlichsten Landraubtiers seiner Zeit.

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Der erste Blick in die neu gestaltete Dauerausstellung.

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Gestaltet wurde der Saal auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit einem (un-)echten Superstar aus Japan.

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Das Monster hat zweifellos das Zeug dazu, der neue Star des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien zu werden: Wie die drei anderen Saurierskelette steht der bis ins Detail lebensecht wirkende Allosaurier - eine Art kleiner Tyrannosaurus Rex - bewegungslos auf dem zentralen Podium mitten im neuen Dinosauriersaal. Plötzlich aber kehrt Leben ein in das mehr als sechs Meter große Kunststoff-Ungetüm auf zwei Beinen.

Der Schwanz beginnt sich langsam hin und her zu bewegen, dann der Kopf. Die Augen blinzeln lebensecht, plötzlich geht der Kopf in Angriffsposition, und das Maul mit dem eher furchteinflößenden Gebiss öffnet sich, begleitet von einem dumpfen Brüllen, wie man es aus Dinosaurierfilmen kennt. Nach gut einer Minute Action ist der Spuk wieder vorbei und das Tier steht wieder regungslos da, als ob nichts gewesen wäre.

Die Färbung und die Geräusche des von der japanischen Spezialfirma Kokoro gefertigten Hightech-Urviehs, das pneumatisch betrieben wird, sind zwar "hypothetisch", wie Mathias Harzhauser, der Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung und Hauptausstellungsmacher eingesteht. "Aber die Körperhaltung und die Bewegungen des Animatronic-Modells entsprechen den neuesten Erkenntnissen über diese Theropoden."

Allosaurier waren vor 150 Millionen Jahren die gefährlichsten Landraubtiere ihrer Zeit. Und auch noch das Plastikmodell der "Killermaschine" macht deutlich, warum der Ausdruck "Dinosaurier", der 1842 eingeführt wurde, durchaus passend ist: "Deinos" steht im Griechischen für schrecklich und "sauros" für Echse. Zusammengenommen handelt es sich also um schreckliche Echsen, die nun wieder in den Sauriersaal des NHM zurückgekehrt sind.

Dinosaurier stellen für die großen naturhistorischen Museen der Welt gleichsam die Visitenkarte dar: Die Eingangshalle des riesigen Field Museum in Chicago etwa wird von Sue beherrscht, dem größten jemals ausgegrabenen Tyrannosaurus Rex. In die Haupthalle des ähnlich großen Natural History Museum in London hat man einen riesigen Sauropoden hingestellt, der von Kopf bis zur Schwanzspitze so lange ist wie vier Doppeldeckerbusse hintereinander. Einzigartig ist die Dino-Kollektion des American Museum of Natural History in New York, wo man heuer noch eine Extraschau über die größten Saurier der Welt einrichtete.

Dringende Neugestaltung

"So viel Platz hatten wir hier natürlich nicht", sagt Christian Köberl, der seit dem Vorjahr Direktor des NHM Wien ist. Er hat sich gleich zu Amtsantritt die Neugestaltung des Sauriersaals als erstes Ziel gesetzt. "Der war nämlich auf dem Stand von 1984 - und wissenschaftlich völlig veraltet." So zeigten neue Fossilfunde, dass Saurier soziale Lebewesen waren, dass das Jagen im Rudel ebenso in ihr Repertoire gehörte wie Brutpflege und Jungenaufzucht. Relativ neu ist auch die Erkenntnis, dass viele der flinken kleineren Raubsaurier über ein Federkleid verfügten.Womöglich besaß sogar T. Rex daunenartige Federn.

Als ein weiteres Beispiel für den Wissensforschritt nennt der international renommierte Impact-Forscher aber auch das weit bessere Wissen über jenen Asteroideneinschlag vor 65 Millionen Jahren, der die über 160 Millionen Jahre lang währende Weltherrschaft der schrecklichen Echsen beendete. Im Sauriersaal, dessen Neugestaltung wie geplant knapp eine Million Euro kostete und acht Monate dauerte, wird dieser Einschlag und seine Folgen in Gestalt eines Bohrkerns aus Italien und einem animierten Video illustriert.

Die Hauptattraktionen des neuen Saals sind aber natürlich die lebensgroßen Saurier am und über dem Podium im Zentrum des Saals: Neben dem Animatronics-Allosaurier gibt es auch noch ein Skelett des Raubtiers. Daneben steht der Skelettabguss eines gigantischen Diplodocus carnegii, den einst der US-Millionär Andrew Carnegie dem Kaiser und damit dem NHM Wien schenkte.

Den Luftraum des Saals, der hoch oben auch noch mehr als 100 Jahre alte Dino-Modelle aus Stuck birgt, beherrscht ein lebensgroßes Pteranodon-Modell. Der Kurzschwanzflugsaurier, der vor 85 Millionen Jahren in Nordamerika lebte, war mit einer Flügelspannweite von sieben Metern eines der größten flugfähigen Reptilien.

Animationen des Sauriersaals (Quelle: Naturhistorisches Museum Wien/YouTube)

Zu den Stärken der neuen Schau - durchaus auch im internationalen Vergleich - zählt die Unmittelbarkeit der Präsentation. Das Museum wolle nicht "unnahbar" sein, sagt Harzhauser und weist bei der ersten Führung darauf hin, dass die Besucher die Modelle nicht nur von allen Seiten und aus allernächster Nähe betrachten, sondern auch selbst Hand anlegen können: Im kleinen "Hands-on-Bereich" kann man nun einen Dino-Knochen, versteinerte Saurier-Kacke, nachgebildete Haut und Magensteine der Giganten berühren. Dazu gibt es gut gemachte Videoanimationen, die bei den Modellen im Saal beginnen und sie in ihre damalige Lebenswelt zurückversetzen.

Aktuellster Forschungsstand

Ein anderes Plus der Schau besteht darin, dass sie auf dem aktuellsten Stand der Forschung beruht. So ist es den Ausstellungsmachern noch gelungen, eine spektakuläre Entdeckung von Saurierfedern in Bernstein, die erst vor drei knapp drei Wochen veröffentlicht wurde, auch noch in die Schautafeln zu integrieren. "Saurierfedern überhaupt ein Hauptthema des neuen Saals", so Harzhauser. Bei der Darstellung der engen Verwandtschaft zwischen Vögeln und Sauriern schießen die Gestalter freilich auch etwas über das Ziel hinaus: Da findet sich etwa das provokante Statement, dass viele von uns im Winter Dinosaurier füttern würden - da Sperlinge eigentlich Dinos seien. Das ist dann doch etwas gar weit hergeholt.

Insgesamt ist die neue Saalgestaltung, das erste Großprojekt unter Köberls Leitung, aber geglückt - auch wenn die Schau ihre recht engen räumlichen Grenzen hat. Zudem habe man bei der Gestaltung nicht völlig mit der in den anderen Sälen des denkmalgeschützten Museums brechen können, so Köberl: "Weil ich sonst sofort das Bundesdenkmalamt im Haus gehabt hätte." (DER STANDARD, Printausgabe, 05.10.2011)