New York/Damaskus - Viel Lärm um möglicherweise nichts: Nach monatelangem diplomatischen Tauziehen stand der UN-Sicherheitsrat am Dienstag vor einer Entscheidung über eine Resolution gegen Syrien. Ein Entwurf der vier EU-Länder Frankreich, Großbritannien, Portugal und Deutschland, der die Gewalt des Regimes von Bashar al-Assad gegen das eigene Volk verurteilt, sollte noch am Spätnachmittag (Ortszeit) - 23.00 Uhr (MESZ) - zur Abstimmung kommen, berichteten westliche Diplomaten in New York. Da vor allem die Vetomacht Russland keine Kritik an ihrem Verbündeten Syrien zulässt, war der Ausgang der diplomatischen Auseinandersetzung ungewiss. In Syrien starben indes weitere Menschen bei den Unruhen.

Washington überarbeitete unterdessen Handelssanktionen gegen Syrien. Nach Angaben des Finanzministeriums wurde ein Verbot für den Verkauf von Telekommunikationsausrüstung an Syrien bestätigt. Auch die Türkei plant offenbar neue Schritte: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte laut Anadolu, er werde in den kommenden Tagen einen "Fahrplan für Sanktionen" ankündigen. "Wir können nicht länger Zuschauer der Entwicklungen in Syrien bleiben", sagte Erdogan.

Das Regime geht seit Monaten mit brutaler Gewalt gegen die Opposition vor, die den Rücktritt von Assad fordert. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sollen bisher etwa 2.700 Menschen getötet worden sein. Wegen der Medienblockade der syrischen Regierung lassen sich solche Angaben aber nicht unabhängig überprüfen. Die UN hatten vor gut einem Monat von 1.900 Toten gesprochen.

Moskau widersetzt sich vehement einer scharfen Resolution gegen Syrien. Russland unterhält einen wichtigen Militärstützpunkt in Syrien, zudem ist Russland - ebenso wie China - Waffenlieferant und Ölkunde Syriens.

Moskau werde Sanktionen gegen Damaskus nicht zulassen, sagte Vize-Außenminister Gennadi Gatilow am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax. Der von den westlichen Ländern eingebrachte Resolutionsentwurf sei "unannehmbar". Russland betrachte die blutigen Unruhen in Syrien als "innere Angelegenheit" und lehne daher eine mögliche militärische Einmischung wie in Libyen ab. Russland plädiert für einen Dialog zwischen den syrischen Machthabern und der Opposition. "Aus unserer Sicht ist dies die einzige lebensfähige Grundlage, um die Lage im Land zu regulieren", sagte Gatilow.

Die vier EU-Länder hatten vor kurzem einen neuen, entschärften Resolutionsentwurf vorgelegt. Das Papier verurteilte Damaskus förmlich und forderte ein Ende der Gewalt, statt konkreter Sanktionen enthielt es aber nur noch Sanktionsdrohungen. Auch das ging den Russen zu weit. Stunden vor der möglichen Abstimmung zirkulierte ein Entwurf, der nur noch von "zielgerichteten Maßnahmen" sprach.

In Syrien dauerten unterdessen die Repressalien des Regimes gegen die Opposition an. Nach Berichten von Aktivisten sollen mehrere Familienmitglieder des Vorsitzenden des neuen Nationalrates, Burhan Ghalioun, in Sippenhaft genommen worden sein. Der in Paris lebende Professor war am Wochenende bei einer Konferenz der syrischen Opposition in Istanbul zum Vorsitzenden eines 140-köpfigen Nationalrates gewählt worden. Der Rat unterstützt die seit März andauernden Massendemonstrationen und hat sich den Sturz des Assad-Regimes zum Ziel gesetzt.

Die regierungsamtliche syrische Zeitung "Al-Thawra" schrieb in einem am Dienstag veröffentlichten Kommentar, der syrische Nationalrat sei nicht ernst zu nehmen. Die Oppositionellen seien nur auf Zerstörung aus. Sie erhielten Unterstützung und Befehle aus Paris, aus den arabischen Golfstaaten und aus Tel Aviv.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana meldete unterdessen, in den Provinzen Hama und Homs hätten "bewaffnete terroristische Banden" seit Montag einen Offizier des Zollamtes, neun Zivilisten und vier Beamte der Ordnungspolizei getötet. Bei der Verfolgung von Oppositionellen überquerten syrische Panzer am Dienstag bei Arsal die Grenze zum Libanon und beschossen dort einen Bauernhof, auf dem sie Aktivisten vermuteten.

Syrische Oppositionelle im Ausland werden nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International in zahlreichen Fällen von Diplomaten ihres Heimatlandes drangsaliert. Mindestens 30 Fälle aus acht Staaten seien dokumentiert, erklärte die Organisation am Dienstag in London. Das Auswärtige Amt in Berlin nannte derartige Praktiken "inakzeptabel". Die französische Regierung bestätigte, dass sie nach Angriffen auf syrische Oppositionelle vom 26. August mehrere Verdächtige festgenommen habe. Der schwedische Außenminister Carl Bildt warnte, ausländische Diplomaten müssten mit ihrer Ausweisung rechnen, wenn sie Aktivitäten nachgingen, die nicht mit ihrem Status vereinbar seien. (APA/Reuters))