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"Mad Men". Werden da vielleicht Zeiten herbeigewünscht, die vor allem für Frauen alles andere als rosig waren?

Foto: AP/Frank Ockenfels

An dieser Stelle haben wir schon mal darüber gesprochen, und zwar recht begeistert. Nach wie vor ist die Sixties-Serie "Mad Men" in Blogs wie im Feuilleton Thema, räumt zig Preise ab, die SchauspielerInnen erlangen mehr und mehr Starruhm und in sämtlichen Magazinen, die sich mit Style, Mode oder Design beschäftigen, ist der "Mad Men-Stil" längst eine gängige Kategorie. Selbst in Wiener Antiquitäten-Läden, die vorzugsweise Möbel aus den Fünfzigern und Sechzigern anbieten, scheinen die Preise angezogen zu haben.

Über die ästhetischen Qualitäten der Drama-Serie scheint es also weitgehend Einigkeit zu geben, aber nicht über den Rest. Die Inhalte provozieren so unterschiedliche Rezeptionen, dass eine Userin unter einem Blogeintrag über "Mad Men" sogar erstaunt feststellt: "Es scheint fast so, als hätten wir völlig unterschiedliche Serien gesehen." Erstaunlich, denn im Normalfall gilt: Schafft es eine Serie überhaupt bis zu den schreibenden KritikerInnen, und diese sich nicht angeekelt - weil Schund für die Massen - abwenden, heißt das meistens auch: Für gut befunden. Über die Sache mit der Masse muss man sich aber beim "Mad Men"-Konsum ohnehin keine Sorgen machen, ist die Serie doch nur über Bezahlkanäle, DVD oder sonst wie (ähm, Internet?) zu sehen. Vermutlich erreicht die Serie daher, abgesehen von losgetretenen Mode-Trends, ein eher homogenes Publikum. Aber in diesem scheinen sich insbesondere zwei Positionen heraus zu kristallisieren.

Don weiß: Image ist alles

Zuvorderst aber für die noch völlig Unbedarften zum Inhalt: "Mad Men" spielt im New York der 60er, zentrale Figur ist Don Draper, der seine Vergangenheit als armer Farmerssohn hinter sich gelassen hat und nun ein Leben zwischen Familie im Vorort, Kreativ-Direktor einer großen Werbeagentur und zahlreichen Liebschaften bzw. heißen Nächten in der City führt. Durch die völlige Abnabelung von seiner sozialen Herkunft scheint er das perfekte Talent für die erstarkende Kreativ-Industrie, denn Don weiß: Image ist alles. Habituelle Stolpersteine gibt es für ihn nicht. Zu Don Drapers Geschichten kommen die der WerbetexterInnen, Sixties-Ehefrauen und Sekretärinnen hinzu

Womit wir uns schon der einen Position über "Mad Man" nähern, die mit den Frauenfiguren der Serie zusammenhängt. Sie sind entweder verheiratet oder: noch (immer) nicht verheiratet. Ist letzteres der Fall, müssen sie sich von ihren Kollegen im Büro wie Freiwild behandeln lassen: Sie sind die "Girls", über die man Witze macht, wenn sie das verrauchte, alkoholgeschwängerte Büro eines Werbetexters betreten, in dem die Herrenrunden regelmäßig zusammenkommen. Unerträglich, doch - so die affirmative Rezeption - diese und andere Szenen zeigen uns die feministischen Themen der zweiten Frauenbewegung nicht nur auf, sondern sie werden auch explizit aufgegriffen. So sitzt Peggy Olson, die von der Sekretärin zur Werbetexterin aufstieg, bei Don und begründet ihre Forderung nach mehr Gehalt mit dem damals noch exotisch klingenden Argument: "Equal Pay!"

Eindrücklich wird auch in anderen Szenen ein gesellschaftliches Klima geschildert, in dem Frauen schlichtweg weniger oder gar nichts wert sind. Die doch so selbstbewusste Chefsekretärin Joan wird von ihrem Verlobten vergewaltigt und denkt dennoch nicht an Trennung. Oder als Dons Frau Betty an Depressionen leidet und die Eheleute vollen Ernstes nicht verstehen können, warum. "Du hast doch alles um glücklich zu sein", wundert sich Don mit einer Geste auf das schön eingerichtete Zimmer, die sagen soll: Ein Haus, in dem sie Hausfrau, einen Mann, dem sie geliebte Gattin, und Kinder, denen sie eine Mutter sein kann. Don, auch Ehemann und Vater, aber eben auch noch vieles mehr, und Betty begreifen es einfach nicht, warum Betty nicht frohlockend durch die Vorstadt tänzelt.

Die Serie thematisiert auch den gesellschaftlichen Tod für Frauen nach einer Scheidung, ebenso wie Homophobie und Verhütung. Dass vor der Verbreitung der Pille Frauen nur schwanger die sichere Möglichkeit hatten, mit anderen Männern als dem Angetrauten Sex zu haben, ist aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden. "Mad Men" ruft diese repressiven Zeiten in Erinnerung und auch, wie wenig lange sie her sind. Sie zeigt auch, was der Feminismus erreicht hat und wo es noch immer hapert - Stichwort "Equal Pay".

Vielleicht doch zu viel Lust an der Unterdrückung?

Also alles paletti mit "Mad Men"? Nicht ganz, denn immer öfter ist vom sogenannten "Mad Men"-Effekt zu hören oder zu lesen. Im Blog des Magazins "Ms." bringt Anna Kelner diesen kurz und bündig mit "Bringing Back Sexism with Style" auf den Punkt. Sexismus werde somit nicht problematisiert, sondern in lässigem Gewand für die Männerrunde von Heute neu aufgelegt. Sie wähnen sich nun in stilsicherer Gesellschaft, wenn es darum geht, Frauen nach ihrer Oberweite und ihrem Hinterteil zu bewerten, oder diese einfach nur darüber zu identifizieren ("aah, du meinst die mit dem großen Busen") - Mann ist ja unter sich. Auch für Kollegin Judith Kabas vom Popkultur- und Feminismus Magazin fiber ist klar, dass mit "Man Men" die noch nicht verschwundene Lust an der maskulinen Vorherrschaft neu entfacht wird. Der Rückzug in die misogyne Männerrunde wird wieder chic und homophob sind wir sowieso immer gewesen - Traditionen müssen schließlich gepflegt werden.

Beobachtet frau Männer, wie sie mit leuchtenden Augen von den saufenden und politisch unkorrekten "Mad Mens" erzählen, leuchtet diese kritische Serien-Rezeption ein. Dennoch muss frau sich fragen: Wenn wir Don Draper einmal ausnehmen, der zwar auch ein Kind seiner Zeit ist, aber durchaus so etwas wie Gerechtigkeitssinn besitzt, sind die männlichen Figuren doch alles andere als cool. Das einzige, worauf sie ihre Überlegenheit zurückführen, ist ihr Geschlecht, ihre Hautfarbe und ihre Heterosexualität. Nicht zuletzt werden sie selbst als Opfer der Geschlechterhierarchie dargestellt. Sie werden zwar nicht vergewaltigt oder sind täglichen verbalen und physischen Belästigungen ausgesetzt, aber auch für sie hält das Leben nur einen Lebensentwurf - wenn auch einen vielfältigeren - parat. Und haben wir Männer, die in diesem sexistisch-, karrieristischen-Chauvinisten-Design nicht mehr erkennen als ein "endlich dürfen wir wieder", als profeministische Mitstreiter nicht schon vor "Man Men" verloren? (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 5.10.2011)