"Die Rückkehr der alten Geister": Die verwundete Amazone dient Nathalie Koger als Beispiel in der Auseinandersetzung mit institutionalisierten Geschlechterrollen

Foto: Koger

Wien - Alte Geister statt Alte Meister! Wie studiert es sich in einem Haus, wo noch die altehrwürdigen Künste spuken? Wie sieht künstlerisches Arbeiten im Schatten der repräsentativen Sammlungen von Kupferstichkabinett und Gemäldegalerie aus? Wie sehr prägen Blickmuster und Denkschulen historischer Archive? Wird die Tradition des romantischen Künstlerbildes hier womöglich fortgesetzt? Und in welchem Verhältnis steht das alles zur Lehre?

Auf diese Fragen haben Studierende der "Kunst und Kommunikation" an der Akademie der bildenden Künste in Form einer Ausstellung reagiert: Auf Rückkehr der Alten Meister 2010 in der frisch renovierten Gemäldegalerie antwortet man nun mit Rückkehr der alten Geister, nebenan im xhibit.

Als Geister, im unsichtbaren Sinn, stellten sich für die Studenten und Studentinnen in der Auseinandersetzung mit der Akademiegeschichte die Protagonistinnen heraus: Dem Umstand, dass Frauen dort erst ab 1920 studie-ren durften, setzt etwa die Birgit- Jürgenssen-Preisträgerin Nathalie Koger ein kritisches Denkmal - oder vielmehr einen leeren Sockel. Diesen stellt sie im Foyer neben einer Statue von Johann Martin Fischer (1803) auf.

Der leere Sockel neben ihm dient Koger als Platzhalter für ein "alternatives Weiblichkeitsideal", für das sie an anderer Stelle die Figur der Amazone einführt. Die Amazone ist für Koger mehr als das Klischee der kriegerischen Emanze, eher steht sie für die Verhandelnde, deren stärkste Waffe der Verstand ist. So weit, so gut. Allerdings gehen die Amazonentypen, deren Kopien Koger in der Glyptothek fand, auf die antiken Bildhauer Phidias, Polyklet und Kresilas zurück. Sie zeigen allesamt im Kampf mit den Griechen Verwundete.

Über diese Überlebenden der Niederlage sagt die Legende, sie hätten in Ephesos Zuflucht gefunden, wo aus den "männermordenden" Amazonen schließlich brave, häusliche Ehefrauen wurden. Die vorgestellte weibliche Alternative entpuppt sich also als Sinnbild des besiegten Eindringlings.

Den kolonialen Blick entlarven Heike Jooß und Karoline Maisch in ihrer Auseinandersetzung mit den Brasilien-Aquarellen (1817) von Thomas Ender und Katharina Lukschs Arbeit zum prähispanischen Codex Vindobonensis Mexicanus. Mit dem Bild des virtuosen Künstlers, der sich seit der Renaissance stolz selbst ins Bild rückt, beschäftigte sich Martin Schwarzinger, der die Posen der Alten Meister vor dem Spiegel probiert oder sich clownesk als Portrait of Artist as Fountain" (Bruce Nauman, 1966) inszeniert. Welche dieser Künstlerrollen ist gefragt, lenkt er den Blick wieder ins Heute.

Karl Doppler und Jaime Nagl fanden alte Musterbücher für Tapeten und Tapisserien: ein Stück angewandter Kunst für den gehobenen Kundenkreis. Dem Gefälligen setzen sie widerständige Symbole entgegen und erinnern damit auch an die Kontroversen rund um die Lehre der Kunsthochschulen: "Geschützte Werkstätte" oder "Fit for Kunstmarkt"?

Scheitern legitim

Dass es genug Raum für Experimente an der Akademie gäbe, zweifeln auch andere (Dörfler, Hay, Lomoschitz, Mayr, Muhic, Spangl) an. Auf Stuck und musealen Flair des xhibit antworten sie mit einer weniger heiklen, unkonventionelle Freiräume gewährenden Ausstellungsarchitektur. Mit Recht wehrt man sich gegen den repräsentativen Charakter des Raumes, sorgt dieser doch für gewisse Erwartungshaltungen; setzt Maßstäbe an wie für den White Cube. Gefordert ist aber ein experimenteller Rahmen. In diesem Sinne versteht sich die Schau als Versuchsanordnung, in der Scheitern legitimer Teil des Weges ist.

Eröffnung heute, Di, 19.00, bis 13. 11., Symposium 27.-29. 10. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 4. Oktober 2011)