Hörbranz - Die Diagnose Brustkrebs löst Angst, Verzweiflung, Ratlosigkeit aus. "In meinem Kopf dreht sich alles", fasst die "Frauenselbsthilfe nach Krebs - Vorarlberg" in ihrem Folder die Sorge um den eigenen Körper, die Familie, Beruf und Zukunftspläne in Worte. "Es ist alles so verworren", beschreiben die Frauen das Auf und Ab zwischen Angst, Hoffnung und Zweifel. "Kurz nachdem ich selbst die Diagnose Brustkrebs hatte, hielt mir eine Frau bei der Dornbirner Messe einen Folder unter die Nase", erzählt Gertraud Burgstaller, "das war purer Zufall und genau das, was ich in meinem Zustand brauchte".

Heute, 14 Jahre später, ist sie Obfrau der Frauenselbsthilfe nach Krebs. "Erfahrung, Lebensmut, Angst und Hoffnung miteinander teilen", was ihr in der Zeit der Krankheit so gutgetan hat, wurde zur neuen Lebensaufgabe. 300 Mitglieder in sechs Regionalgruppen betreut der Verein, der 1982 gegründet wurde. Vierteljährlich wird ein Rundschreiben publiziert, das vierköpfige Führungsteam organisiert, teilweise in Kooperation mit der Krebshilfe, Veranstaltungen mit Experten.

"Wir geben keine therapeutischen Ratschläge, sondern begleiten, ermutigen, helfen im Alltag", umreißt Gertraud Burgstaller die Aufgaben der regionalen, offenen Gesprächsrunden. Sie treffen sich einmal monatlich, wie die Hörbranzer Selbsthilfegruppe "Lebenszeichen", die vor elf Jahren von Vroni Greiter und Irmgard Mattweber initiiert wurde.

Ängste und Hoffnungen teilen

"Nach vier Wochen Reha, wo man mich umsorgt, richtiggehend bemuttert hatte, war ich dann daheim vollkommen allein mit meinen Ängsten und Problemen", schildert Vroni Greiter ihre Situation nach der ersten Krebsbehandlung. Sie suchte Frauen mit ähnlichen Erfahrungen, fand Irmgard Mattweber. "Miteinander reden, sich gegenseitig Kraft geben", formulieren sie ihr Ziel. Reden über Krebs war damals noch tabu, die Kommunikation mit Ärzten schwierig. In Einzelfällen sei sie das heute noch.

Zehn Frauen, zwei Männer (die Gruppe ist für Angehörige und krebskranke Männer offen) sitzen im Kreis, schildern ihr aktuelles Befinden. Sie sind zwischen 51 und 87 Jahre alt, hatten oder haben (Brust-)Krebs in unterschiedlichen Stadien. Ziemlich ruppig sei der Doktor, erzählt eine Frau über ihre erste Begegnung mit einem ihrer Behandler. Die erfahrenen Frauen kennen den Arzt: "Der meint das nicht so." Man entwickelt gemeinsam eine Strategie für das nächste Gespräch.

Die Gruppenbegleiterinnen ermutigen, den Ärzten Fragen zu stellen, genaue Informationen einzufordern. "Am Anfang weiß man doch null über die Krankheit." Die unterschiedlichen Formen von Brustkrebs, Klassifizierungen, Therapien seien den meisten Neuerkrankten unbekannt. "Nur in zertifizierte Zentren gehen", lautet der Rat. Und: "Wenn ihr euch bei einem Arzt nicht wohlfühlt, geht zu einem anderen."

Zeigen, dass es weitergeht

Die meisten in der Runde haben Operationen, Chemo- und Strahlentherapie bereits hinter sich. "Zeigen, dass man trotz Krebs gut weiterleben kann", wollen sie. "Ich war so allein mit meinen Ängsten, hab schon geglaubt, dass ich hysterisch bin", erzählt eine Frau über ihre Motivation, zur Selbsthilfegruppe zu gehen. Jetzt habe sie wieder Lebensmut. Sieht sie ein schönes Kleidungsstück, denke sie nicht mehr: "Das zu kaufen rentiert sich eh nicht mehr." Solche Gedanken kenne sie, erzählt eine leidenschaftliche Sportlerin: "Lange hab ich gezweifelt, ob ich mir noch ein Bike kaufen soll. Heute ist es neun Jahre alt."

Ein wiederkehrendes Thema in der Runde sind die Retraumatisierungen durch Krebsfälle in der Familie oder im Freundeskreis: "Da kommt wieder alles hoch", die eigene überwunden geglaubte Krankheit würde wieder präsent. Das Reden darüber helfe, "in der Gruppe erfährst du, wie andere damit umgehen".

Die Frauenselbsthilfe legt in Praxen und Krankenhäusern Folder und Infoblätter mit wertvollen Tipps zur Alltagsbewältigung auf: Recht auf Reha, Pflegegeld, Behindertenausweis, Kündigungsschutz sind einige davon. Das Info-Material sollte Frauen so früh wie möglich gegeben werden, wünschen sich die Aktivistinnen. Das würde eine schnellere Kontaktaufnahme ermöglichen. "Auch wenn man glaubt, man kommt allein zurecht", ergänzt eine frühere Skeptikerin: "Ich hab den Anstoß von meinem Sohn gebraucht. Heute weiß ich, wie wichtig die Gruppe für mich war und ist."

Irmgard Mattweber möchte ein Vorurteil gegen die Selbsthilfegruppe widerlegen: "Bei uns wird nicht nur über Krebs gesprochen." Sagt es und wechselt zum Tisch. Dort stehen Kuchen und Sekt bereit. Es gilt zwei hohe Geburtstage zu feiern, einer wird 80, eine 87. "Ja, wer hätte das vor zehn Jahren gedacht?", freut sich die Jubilarin. (Jutta Berger, DER STANDARD, Printausgabe, 4.10.2011)