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Wo ist der Euro? Die Eurozone diskutiert derzeit, wie bei EFSF aus einem Euro mehr Euro werden können. Ohne, dass mehr Geld reinfließt. Ein Hebel scheint der Zauberspruch der Stunde zu sein.

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Zauberer verraten ihre Tricks nicht. Schließlich soll nicht jeder all die Kunststücke, die Dinge herzaubern oder verschwinden lassen, einfach so nachmachen können. Der Griff in die finanztechnische Trickkiste steht allerdings so gut wie allen offen, auch wenn der Effekt manchmal mehr an eine Bombe als an ein Feuerwerk erinnert. Siehe: Die US-Immobilienkrise mit den verbrieften faulen Krediten und deren Auswirkung auf die internationale Finanzwelt.

Derzeit diskutiert die Eurozone und mit ihr zahlreiche Experten den Einsatz eines Kunststücks, um den Euro-Rettungsschirm EFSF mit mehr Mitteln zu versehen, als eigentlich drin sind. Während also die nationalen Parlamente noch über die tatsächliche Aufstockung der Garantien für den EFSF abstimmen, geistert schon der "Hebel" als Nonplusultra für die "Erhöhung der Feuerkraft" des Rettungsschirms herum. Mit finanztechnischen Konstrukten soll der Rettungsschirm über ein Vielfaches an Geld verfügen können, ohne die nationalen Garantien dafür aufzustocken. Klingt ein bisschen nach Zaubertrick, ist aber vor allem eines: Kompliziert. Und potenziell gefährlich.

Fest steht eines - ein offenes Geheimnis: Die 440 Milliarden Euro, mit denen der EFSF ausgestattet werden soll, um schuldengeplagten Staaten Kredite vergeben zu können, werden nicht ausreichen, um die EU-Schuldenkrise nachhaltig zu bekämpfen. Von politischer Seite gibt es derzeit schon genügend Diskussionen rund um die derzeitige Erweiterung des EFSF, einer nochmaligen Aufstockung werden die Parlamente wohl nie zustimmen.

Hebel?

Wie funktioniert nun so ein Hebel eigentlich? Mit Leverage-Effekt bezeichnet man in der Finanzwirtschaft grundsätzlich Situationen, bei denen eine relativ kleine Veränderung von Variablen große Effekte im Resultat bewirken, sagt Wikipedia. Das klingt zwar wahnsinnig spannend, bleibt aber im Grunde abstrakt. Letztlich spricht man von Hebelwirkung, wenn geliehenes Geld mehr Zins oder Rendite abwirft, als die Kapitalkosten betragen. Die Rechnung ist dann einfach: Leihe ich mehr Geld aus, mache ich auf das eingesetzte Kapital immer mehr Gewinn. Allerdings funktioniert dieses Prinzip nur solange zum Beispiel die Fremdkapitalzinsen nicht massiv steigen oder die Investitionen den Bach runtergehen. Dann wirkt der Hebel nämlich auch, nur eben negativ.

Was im Falle des EFSF unter einem Hebel zu verstehen ist? In erster Linie, dass mit dem Einsatz relativ geringer Mittel ein Vielfaches an Geld hereingespült werden kann. Mit welchen Mitteln das genau von Statten gehen soll, wird offenbar dieser Tage diskutiert. An den Märkten macht vorerst folgendes Szenario die Runde: Die Europäische Investitionsbank (EIB) - sie ist quasi die Bank der EU, deren Kapitaleigner die Mitgliedsstaaten sind - könnte eine Zweckgesellschaft gründen, die sich über den EFSF finanziert. Diese Zweckgesellschaft soll dann Anleihen von Schuldenländern aufkaufen und auch eigene Anleihen begeben können. Damit könnten also Fremdkapital aufgenommen und letztlich auch außereuropäische Investoren angesprochen werden. Dafür wird aber von Experten vorausgesetzt, dass auch die Europäische Zentralbank (EZB) mit an Bord ist, die diese Zweckgesellschafts-Anleihen auch als Sicherheit akzeptiert. Denn nur dann könnte die Zweckgesellschaft auch Kredite an die notleidenden Staaten vergeben. Üblicherweise muss nicht die volle Kredithöhe als Sicherheit hinterlegt werden. 

Kreditaufnahme

Ein Rechenbeispiel des WestLB-Analysten Torge Middendorf zeichnet folgendes Szenario: Insgesamt verfügt der EFSF über 440 Milliarden Euro. Zieht man die bereits bewilligten Rettungspakete für Irland, Portugal und Griechenland ab, bleiben noch 333 Milliarden Euro im Topf. Damit könnten beispielsweise italienische oder spanische Anleihen aufgekauft und bei der EZB hinterlegt werden. Middendorf hält einen Hebel von Acht für durchaus realistisch. Das heißt mit den 333 Milliarden Euro an Einsatz, könnten 2,66 Billionen Euro an Krediten an die strauchelnden Länder vergeben werden.
Eine andere Idee ist, den Rettungsschirm EFSF gleich selbst mit einer Banklizenz auszustatten. Der EFSF könnte dann Geld über den Anleihen-Markt aufnehmen und wiederum nationale Eurozonen-Bonds kaufen. Und: Der EFSF könnte somit selber die EZB als lender of last resort anzapfen, um Notkredite weiter vergeben zu können.

Doch genau hier tritt das größte Risiko des Hebels auf: Können die Kredite nicht bedient werden und fallen aus, bleibt auch die EZB auf den Staatsanleihen sitzen. Und damit auch die Mitgliedsländer der EZB. Die im Extremfall uneinbringlichen Kredite sind das nächste Problem. Gegner der Hebel-Idee führen auch ins Treffen, dass die EZB auf Wunsch des EFSF Geld drucken müsste, ohne Einfluss auf die Menge oder die Herkunft der Anleihen zu haben.

Außerdem gilt das Leveraging durchaus als mitbeteiligt an der massiven Finanzmarktkrise der vergangenen Jahre. Letztlich liegt zahlreichen Spekulationen und so gut wie allen Derivaten oder Finanzkonstrukten an den Märkten die Hebelwirkung zugrunde. So meinte Carsten Klude, Aktienstratege bei MM Warburg, unlängst: "Wenn man den Ausweg aus einer Krise mit einem Instrument sucht, das in die Krise hineingeführt hat, zeigt das schon, wie der Markt tickt." (Daniela Rom, derStandard.at, 4.10.2011)