Larven und ausgewachsene Ambrosiakäfer helfen bei der Arbeit in der Gemeinschaft zusammen.

Foto: P. Biedermann

Wien/Bern - Im Insektenreich war soziales Verhalten bisher vor allem in staatenähnlichen Gemeinschaften von Hautflüglern wie Wespen, Bienen und Ameisen, aber auch von Termiten bekannt. Nun haben zwei österreichische Wissenschafter erstmals auch Arbeitsteilung bei Käfern nachgewiesen. Aber nicht nur das: die beiden an der Universität Bern tätigen Verhaltensökologen konnten erstmals an Ambrosiakäfern zeigen, dass auch die Larven zum Gemeinwohl beitragen. Ihre Arbeit wurde im Wissenschaftsjournal "PNAS" veröffentlicht.

Ambrosiakäfer gehören zur Gruppe der Borkenkäfer, sind aber keine Wirtschaftsschädlinge. Die Tiere ernähren sich ausschließlich von einem Pilz, den sie in ihren Nestern züchten. Weil dies arbeitsintensiv ist, wurde Kooperation innerhalb der Kolonien schon länger vermutet. Der Nachweis scheiterte bisher aber an der versteckten Lebensweise der Käfer, die Gänge in das Hartholz von abgestorbenen Bäumen bohren. Peter Biedermann und Michael Taborsky von der Abteilung für Verhaltensökologie der Uni Bern ist es nun gelungen, die nur wenige Millimeter großen Vertreter des "Kleinen Holzbohrers", einer einheimischen Ambrosiakäferart, in Glasröhrchen zu züchten und damit ihr Verhalten zu beobachten und zu filmen.

Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen

Beim Anlegen eines neuen Nestes verteilen die Käferweibchen die Sporen eines Pilzes, dessen Fruchtkörper später der Kolonie als Nahrung dienen. Aus den Eiern des Weibchens entwickeln sich Jungkäfer, und zwar Männchen und Weibchen im Verhältnis von eins zu 20, wie Biedermann erklärte. Dabei kann das Muttertier das Geschlecht der Nachkommen beeinflussen, aus unbefruchteten Eiern entstehen Männchen, aus befruchteten die Weibchen.

Sobald die Nachkommen erwachsen sind, paaren sich die Brüder mit den Schwestern. Wie die Käfer mit dieser Fortpflanzungsart die genetische Vielfalt aufrechterhalten können, ist laut Biedermann noch völlig ungeklärt. Die begatteten weiblichen Tiere könnten nun ausfliegen, um selbst ein Nest zu gründen. Doch sie verbleiben noch einige Wochen im Nest und helfen der Mutter bei der Aufzucht von deren Brut und der Pflege der Pilzgärten. Auch die Töchter können in dieser Zeit Eier ablegen, dies sei aber nicht die Regel.

Warum pflegen die Jungkäfer Schwestern und Brüder anstatt eigene Nachkommen großzuziehen? Biedermann und Taborsky gehen davon aus, dass die sogenannte "Verwandtenselektion" ausschlaggebend ist: Primär geht es einer Art darum, möglichst erfolgreich Gene an die nächste Generation zu übertragen. Dazu kann ein Individuum entweder selbst Nachkommen in die Welt setzen oder aber seine Energie in Nachkommen von Verwandten investieren. Letzteres ist dann von Vorteil, wenn der Verwandtschaftsgrad hoch und die eigene Fortpflanzung schwierig ist. Beides ist bei den Ambrosiakäfern gegeben: Durch die Inzucht sind die Käfer in einer Kolonie nahe verwandt. Gleichzeitig sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Nestgründung für ein ausfliegendes Weibchen gering, denn der Ambrosiapilz wächst nur in Bäumen mit dem richtigen Alter und Feuchtigkeitsgrad.

"Kinderarbeit"

Dazu kommt, dass der Pilzgarten viel Pflege braucht. Die Tiere müssen etwa permanent durch Verstopfen oder Öffnen der Eingangsröhre mit Bohrmehl für die richtige Luftfeuchtigkeit im Gangsystem sorgen sowie Bakterien- und Schimmelpilze-Herde entfernen. Dies kann von einer Gruppe von Tieren mit einer klaren Verteilung der Aufgaben leichter bewerkstelligt werden. Das Besondere und Neue dabei ist, dass es beim "Kleinen Holzbohrer" auch die Larven mitanpacken. Während sich etwa Bienen- oder Ameisenlarven nur füttern und pflegen lassen, säubern sich die adulten Käfer und die Larven gegenseitig. Zudem erweitern die Käferlarven die Brutkammern. Ein Grund für diese "Kinderarbeit" könnte sein, dass sich die Larven noch häuten und damit ihre Mundwerkzeuge für das Bohren im Holz scharf bleiben, vermutet Biedermann.

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die Käferkolonien "ein Übergangsstadium zwischen solitärer und hochsozialer Lebensweise" darstellen. Die Arbeitsteilung ähnelt bereits jener von hochsozialen Insekten wie Bienen oder Ameisen. Im Gegensatz zu diesen, wo Arbeiterinnen unfruchtbar sind und es mit der Königin ein einziges fruchtbares Weibchen gibt, sind bei den Käfern aber alle Weibchen fortpflanzungsfähig. Sie verzichten aber zumindest für einige Zeit "freiwillig" auf eigene Nachkommen. (red/APA)