Freiwilligenarbeit hat viel mit beruflichen Karrieren zu tun. Dort wie da ist die Bildung wichtig, höher Gebildete engagieren sich häufiger und in besseren Positionen als schlechter Gebildete. Erstaunlicherweise leisten gerade jene Personen viel Freiwilligenarbeit, denen auch in ihrem Brotberuf nicht langweilig ist. Bei Erwerbstätigen liegt die Beteiligungsquote mit 33 Prozent höher als bei Arbeitslosen (16 %), bei Menschen im Ruhestand (19 %) oder bei im Haushalt Beschäftigten (27 %). Nur Schüler und Studierende zeigten mit knapp 36 Prozent eine noch höhere Beteiligungsquote. Innerhalb der Gruppe der Erwerbstätigen sind es wiederum die Beamten (40 %), die Angestellten (32 %) und die Selbstständigen (35 %), die die höchsten Beteiligungsquoten aufweisen.

Trotzdem stellen die Nicht-Erwerbstätigen die größte Gruppe innerhalb der Freiwilligen, nämlich fast ein Drittel. Damit tragen auch jene Bevölkerungsgruppen, die in der Leistungsträger-Debatte oft geringschätzig weggeblendet werden, ganz erheblich zum Gemeinwohl bei, und zwar über ihre unschätzbaren Funktionen im familiären Umfeld hinaus. Man darf es sich also nicht zu leicht machen in der politischen Schwarz-Weiß-Malerei.

Dennoch spiegeln Freiwilligenkarrieren in vielen Aspekten Erwerbskarrieren: Es kommen vorrangig jene Personen in Führungspositionen, die diese auch im Beruf innehaben. Der Anteil von Unternehmern und Beamten und Angestellten in den Führungspositionen der Freiwilligenarbeit ist ca. doppelt so hoch wie jener von Arbeitern und Nicht-Erwerbstätigen. Somit ist das Feld der Freiwilligenarbeit kein Gegenentwurf zur hierarchischen Arbeitswelt, auch wenn die Sinnstiftung, die im normalen Beruf oft fehlt, für den einen oder die andere das Motiv zum Engagement ist.

In Summe sind Personalentscheider gut beraten, sich die Freiwilligenkarriere von Bewerbern genauer anzusehen. Es zeigt sich nämlich, dass es die besonders Leistungs- und Führungsmotivierten sind, die sich schon während der Schulzeit und während des Studiums freiwillig engagieren. Da sich das alles aber herumspricht, steigt auch die Zahl derjenigen, die ein klein wenig Engagement bloß zwecks Impression-Management und CV-Tuning vorgeben.

Wenn in der Arbeitswelt der Druck steigt, hat dies auch Konsequenzen für das freiwillige Engagement. Für immer mehr Personen ist die hohe Belastung im Job mit dem Engagement in zivilgesellschaftlichen Organisationen nicht mehr vereinbar. Ob diese Lücke durch Corporate Volunteering, ein durch den Arbeitgeber angebotenes und vermitteltes Freiwilligenengagement geschlossen werden kann, bleibt abzuwarten. Corporate Volunteering ist anspruchsvoll in Hinblick auf seine strategische Einbettung und die damit verbundenen Kooperationserfordernisse, aber viele erfolgreiche Einzelfälle zeigen mittlerweile, wie es gehen kann. Idealiter profitieren alle drei davon: die soziale Einrichtung, die Freiwilligen und die Firmen, auf die man solcherart stolz sein kann. (Michael Meyer/DER STANDARD; Printausgabe, 1./2.10.2011)