"In Irland besucht man nichts, wo man nicht trinken kann." Eigentlich war dieses Bonmot Dr. Samuel Johnsons auf seinen irischen Schriftstellerkollegen Jonathan Swift gemünzt. Der exzentrische Autor von Gullivers Reisen, der in späten Jahren übrigens unter dem Pseudonym Dr. Shit eine Abhandlung über menschlichen Stuhlgang verfasste, hatte nämlich im Alter aus Geiz darauf verzichtet, seinen Gästen Alkohol anzubieten. Prompt blieben die Besuche aus, und Swift starb 1745 vereinsamt und umnachtet in seiner Geburtstadt Dublin.
Harfe, verkehrt herum
Umgekehrt gilt Johnsons Diktum auch: Jedenfalls ist das Museum der Guinness-Brauerei, die 14 Jahre nach Swifts Tod von Arthur Guinness gegründet wurde, die bestfrequentierte Sehenswürdigkeit nicht nur Dublins, sondern der ganzen Grünen Insel. Wie sehr die Identität Irlands mit dem Bier verwoben ist, zeigt sich auch am Landeswappen, wie die freundliche Guinness-Expertin aus Kanada weiß, die durch das Storehouse führt: "Weil die Harfe bereits das Wappen des Biererzeugers war, verwendete sie die Republik Irland einfach verkehrt rum."
Die Bier-Führerin hat im Museum, das in Gestalt eines riesigen Pints auf sieben Stockwerken Geschichte und Gegenwart des beliebten irischen Exportartikels abhandelt, weitere Merkwürdigkeiten über das Guinness zu berichten: So zum Beispiel, dass der dunkle Stoff im Licht betrachtet eigentlich schwarz-rötlich ist und im Idealfall sechs Grad kalt getrunken wird. Oder dass der Guinness-Erfinder in seinem Optimismus einen Pachtvertrag abschloss, der noch knapp 8750 Jahre läuft.
Porter, dein einziger Freund
Laut den Informationen der Guinness-Frau hat die wirtschaftliche Krise, die den aufstrebenden keltischen Tiger flugs in einen Bettvorleger verwandelte, den Konsum des schwarzen Stoffs zwar angeblich leicht gebremst (auf gerade einmal 1,8 Milliarden Pints pro Jahr weltweit). Andererseits bieten gerade finanzielle Notlagen einen guten Grund, um zum dunklen Getränk zu greifen: "Ist das Geld dir knapp und schwer zu kriegen / und dein Pferd nur im Mittelfeld streunt / Wenn auf dem Konto nur Schulden liegen / ist ein Porter dein einziger Freund."
Der Autor dieser Zeilen war Flann O'Brien, einer der größten Dichtersöhne der Insel, der dieser Tage hundert geworden wäre, hätte er sich nicht - wie es sein kongenialer Übersetzer Harry Rowohlt formulierte - planvoll zu Tode gesoffen. Als ihn sein Biograf Anthony Cronin kurz vor seinem Tod im Krankenhaus besuchte, brachte der natürlich Whiskey mit. Prompt beklagte sich O'Brien über den Dubliner Brauch, dass die Leute immer mehr trinken würden, als sie mitbrächten.
Voller Krug
Der Jubilar war nicht nur der Autor von aberwitzigen Romanen wie In Schwimmen-zwei-Vögel oder Der dritte Polizist, sondern verfasste zudem für die Irish Times die Kolumne Cruiskeen Lawn, was auf Deutsch nichts anderes als "Voller Krug" bedeutet. "Mitunter war Flann O'Brien allerdings selbst schon etwas zu voll, um sie selbst zu schreiben", erzählt Colm Quilligan. "In dem Fall hat er sie einfach seinen Freunden im Pub diktiert, die das Manuskript dann zur Zeitung brachten."
Quilligan ist einer der beiden Protagonisten des "Literary Pub Crawl" von Dublin, einer illuminierenden Einführung in die irische Literatur über den Umweg einiger Barbesuche. Die kurzweilige Tour beginnt in "The Duke" unter anderem mit einem Dialog aus Samuel Becketts Warten auf Godot, führt durch den Campus des Trinity College und drei Pubs, ehe sie wieder vor "The Duke" mit einem Literaturquiz endet - Edutainment, wie es sein soll.
Wer es gerne etwas nüchterner hat, kann das Dublin Writers' Museum besuchen, das in einem georgianischen Haus aus dem 18. Jahrhundert untergebracht ist und anhand seiner Originalwerke einen guten Überblick über die einzigartige Dichter-Dichte Irlands vermittelt. Schließlich bringt es kein anderes Land dieser geringen Größe auf gleich vier Literatur-Nobelpreisträger: William Butler Yeats, George Bernard Shaw, Samuel Beckett und Seamus Heaney. Wohl auch aus diesem Grund hat Dublin als vierte Stadt des Planeten im Vorjahr den Titel "Unesco City of Literature" erhalten.
Stolz auf die Dichter
Die Iren sind darauf mächtig stolz, und sie tun auch nicht wenig dafür, ihre Dichter entsprechend zu ehren und zu hätscheln: So tragen alle Häuser der Stadt, die einen Schriftsteller beherbergten, ein blaues Schild, das darauf hinweist. Und darunter gibt es einige weltberühmte: Brendan Behan zum Beispiel, der mit acht Jahren begann, Alkohol zu konsumieren, und von sich selbst sagte, "ein Trinker mit einem Schreibproblem" zu sein. Oder Bram Stoker, der Urheber von Dracula und damit des ganzen Vampir-Wahnsinns der Jetztzeit. Oder Oscar Wilde, der am Marrion Square in Form eines lebensgroßen Buntsteindenkmals verewigt ist.
Primus inter Pares ist natürlich James Joyce, der sich mit seinem Hauptwerk Ulysses buchstäblich in die Stadt eingeschrieben hat und in Dublin omnipräsent ist. Vor kurzem hat man ihm ein mehrstöckiges Zentrum gewidmet, in dem es alle möglichen und unmöglichen Joyce-Devotionalien zu kaufen gibt. Und auch eine der beiden neuen Brücken des spanischen Architekten Santiago Calatrava über den Fluss Liffey ist nach Joyce benannt. Sie wurde - no na - am Bloomsday 2003 eröffnet.
Die andere Brücke, die Ende 2009 für den Verkehr freigegeben wurde, erinnert in ihrer Form an eine Harfe und trägt den Namen Samuel Beckett. Ihm haben übrigens auch all seine Kollegen einiges zu verdanken: Seit 1969, jenem Jahr, in dem Beckett den Nobelpreis erhielt, müssen Schriftsteller in Irland - Wirtschaftskrise hin oder her - keine Steuer zahlen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD/Album/01.10.2011)