In spätestens zwei Jahren wollen die beiden Cousins, Rowin Höfer (l.) und Marvin Fritz (r.), wieder zurück in Österreich sein. Tägliches Training gehörte genauso zur Vorbereitung wie ein 1000-Kilometer-Marsch von Amsterdam nach Bregenz im Sommer 2010.

Foto: Höfer

Die zwei Steirer werden von der Umweltorganisation Global 2000 finanziell und von sieben weiteren Unternehmen mit Material unterstützt, z.B. Waldviertler Schuhe.

Foto: Höfer

Rowin (21): Nach Zivildienst im Krankenhaus Multimedia-Studium an der Graphischen in Wien. Kameraassistent für Fernsehproduktionen, selbst Fotograf und Kameramann. Wohnte seit Oktober 2010 im ungeheizten und stromlosen Wohnwagen.

Foto: Höfer

Marvin (20) skatet seit zehn Jahren, lebt vegan. Nach  Bäcker-,  Dekorateur-, und Tapeziererlehre und Zivildienst bei der Lebenshilfe beschäftigt er sich jetzt intensiv mit der Natur, mit pflanzlichen Nahrungsmitteln und deren Heilkräften.

Foto: Höfer

Das Nervige am Wenigbrauchen ist, dass auch dafür komplizierte bürokratische Schritte nötig sind. Da taucht etwa das Problem auf, dass die Einreise in die USA mit einem Frachtschiff visums-technisch nur schwer möglich ist, weil man faktisch als Fußgänger gilt und kein Weiterreiseticket vorweisen kann. Ebenso stellt sich eine mögliche Durchquerung Chinas schon bei den Anträgen dazu als schier unüberwindbare Herausforderung dar. Aber um das Anlandgehen im weitesten Sinn soll es sich bei dem Projekt "Weltwanderung" von Rowin Höfer und Marvin Fritz eben auch drehen.

Deswegen sind die beiden Jungzwanziger aus der Umgebung von Leoben durch nichts mehr außer Tritt zu bringen. Aufbruchstermin: Montag, 3. Oktober 2011, zehn Uhr früh, Neustiftgasse, Wien sieben. Zwischen 18 und 24 Monaten wollen sie laut Plan unterwegs sein. Der erste Teil des Fußmarsches führt nach Südspanien und von dort per Schiff oder Flugzeug weiter nach Nordamerika. Recht viel weiter planen Rowin und Marvin noch nicht voraus. Ihre Motivation und ihre Message: Den Ressourcenverbrauch so gering wie möglich zu halten und daran zu appellieren, dass Energie nicht endlos vorhanden ist. 

Money makes the world go round? No.

Nur, wie geht sich das finanziell aus, wenn man zwei Jahre am Weg sein will? "Geld wird keine so große Rolle spielen, da es oft nur die fehlende Zeit ist, die Kosten verursacht", meint Rowin Höfer abgeklärt. "Mit viel Zeit lassen sich dementsprechend viele Kosten einsparen oder ganz verhindern. Essen zum Beispiel wächst ja nicht im Supermarkt, sondern draußen - man muss es nur suchen." Wobei für größere Investitionen wie die Ozeanüberquerungen vorgesorgt sei. "Außerdem haben wir durch Bankomat- und Kreditkarte überall die Möglichkeit, zu unseren Ersparnissen zu kommen. Aber grundsätzlich haben wir keinen fixen Gesamtbetrag festgelegt", so Rowin, der sich nach Multimedia-Studium an der Graphischen in Wien als Fotograf und Kameraman betätigt. 

Rein strategisch habe sich fünf Euro pro Tag bisher als recht gute Rechnung erwiesen, erklären die beiden Cousins, die altersmäßig nur ein Jahr auseinander sind. Aber das sei eben nur die finanzielle Seite. Rowin und Marvin wollen vielmehr auch ganz substanzielle Dinge ansprechen, etwa welches Freiheitsempfinden sich in einem 15-Kilo-Rucksack verstecken kann: "Wir haben ein kleines Zelt dabei, weil es uns wichtig ist, unabhängig zu sein. Wir lieben es, draußen zu schlafen, um die Natur in all ihren Launen zu erfahren", beschreibt Rowin einen Hauptzweck des Unterfangens: "Uns geht es darum, die Wahrheit zu spüren und den Luxus klimatisierter Räume zu vergessen. Das zweitschwerste Gepäckstück ist ein warmer Winterschlafsack, der uns Sicherheit bietet und den einzigen Rückzugsort darstellt."

Was einen rundgehen macht

Denn die Weltwanderung ist durchaus ein egoistisches Projekt. "Es ist für einen selbst", lässt Rowin keine Zweifel aufkommen: "Wir wollen frei sein, und das Wandern ist perfekt dafür: Alles tragen, was man besitzt. Jeden Tag etwas Neues sehen. Schlafen, wo man will. Aufwachen und nicht wissen, wo man die nächste Nacht schläft." Auch für Marvin, mit 20 Jahren der jüngere der beiden Cousins, strahlt das Projekt und dessen offener Ausgang einen ganz besonderen Reiz aus: "Wir denken gar nicht ans Zurückkommen und wie das sein wird. Vielleicht tut sich ja unterwegs etwas auf."

Wichtig ist den beiden Leobenern auch, dass ihre Botschaft nicht als reiner Protest verstanden wird, sondern als Denkanstoß dient. Etwa bei der Atomkraft, die für sie eines der Hauptthemen der Wanderung ist. "Wir sind keine typischen Umweltaktivisten und fordern nicht den sofortigen Atomausstieg, sondern dass der Energieverbrauch allgemein reduziert wird", erklärt Rowin. "Und nicht der Staat allein soll das richten, sondern die jeweiligen Individuen."

Gandhis Weg

Es gehe ihnen eben um ein komplettes Umdenken, also die Ursachen aufzuspüren und direkt zu bekämpfen, fügt Marvin hinzu: "Wir wollen bei der Unverantwortlichkeit und Faulheit eines jeden einzelnen Menschen und besonders bei unserer eigenen ansetzen und herausfinden, was wirklich Notwendig ist." Das hätten sie z.B. bei der Ernährung, die sie ausschließlich aus veganer Rohkost bestreiten, bereits getestet. "Zwei Tage ohne Essen kommen wir leicht aus", so Marvin. "Das ist eben unsere Art, wie wir gesellschaftliche Regeln brechen: Nur zu essen, wenn etwas da ist oder wir Hunger haben." 

Wenig überraschend, dass Mahatma Gandhi eines der ganz großen Vorbilder der beiden Weltwanderer darstellt. "Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst", zitiert Rowin den indischen Staatsmann und spielt den Gedanken an ein Ziel der Reise gleich weiter: "So intensiv wie möglich zu leben, aber dabei nicht zu viel zu riskieren. Wenn Angst ansteckend ist, dann kann Optimismus das auch sein." 

Gerade in großen Städten sei es oft schwierig einen Schlafplatz zu finden. "Bei unseren bisherigen Reisen und Wanderungen haben wir schon öfters bei öffentlichen Gebäuden wie Schulen geschlafen", erzählt Rowin. "Manchmal auch auf Dächer, weil man dort recht sicher ist. Und im Notfall können wir die ganze Nacht wachbleiben, wenn es wirklich zu gefährlich ist."

Streiten als Zeitvertreib

Bleibt die Frage, was passiert, wenn sich unterwegs dann doch die Wege der beiden Verwandten trennen sollten. "Bis jetzt haben wir immer alles durchgezogen, was wir uns vorgenommen haben", gibt sich Marvin ungekünstelt zuversichtlich. Dazu zähle ein 31-Tage-Fußmarsch von Amsterdam nach Bregenz über 1000 Kilometer genauso wie der erfolgreiche Versuch, von Leoben nach Wien ohne Geld zu gehen. Auch den Winter im ungeheizten Wohnwagen zu verbringen, sei so ein Test.

Mit Meinungsverschiedenheiten hätten die beiden Leobener ebenso umgehen gelernt. "Das dauert meist nicht lange, weil wir uns gut ergänzen", erklärt Rowin, der ältere der Cousins: "Marvin ist der instinktivere Typ von uns beiden, ich bin eher der vernünftigere, aber auch ehrgeizigere." Und natürlich sei es manchmal nervig, immer mit der gleichen Person das Immergleiche, nämlich Wandern, zu tun. "Andererseits ist es ein großartiges Geschenk einen verlässlichen Kameraden zu haben und Glücksmomente teilen zu können". (Martin Obermayr, derStandard.at, 2.10.2011)