Ein "Original"-Schmierpapier wurde - um falsche Signatur und Datierung ergänzt - zum Falsifikat.

Foto: im Kinsky

Schmierzettel sind etwas alltägliches, auch und gerade in Künstlerateliers. Pinsel werden ausgewischt oder abgetupft, Farben gemischt oder verdünnt und Kombinationen getestet. Es sind Relikte des Schaffensprozesses, und meist ist ihnen der leichtfertige Umgang des Künstlers gewiss. Achtlos bedecken sie den Boden, stapeln sie sich auf Fensterbrettern und Tischen. Früher oder später landen sie im Müll. Vielleicht auch nicht.

Max Weiler entwickelte aus diesem unbewusst und zufällig den eigentlichen Malakt begleitenden Prozess wiederum ab Anfang der 1960er-Jahre eine Methode der Bildgestaltung, die das Essl-Museum kunsthistorisch erstmals im Zuge der Ausstellung Max Weiler - Die Natur der Malerei 2010 beleuchtete. Irgendwann hatte sich das einstige Schmier- zum Probierpapier entfaltet, und fortan übertrug er die dort entstandenen, teils nur handtellergroßen Konstellationen auf Großformate. Nicht maßstabsgetreu, sondern in Anlehnung an diese Dokumente. Als zentrale Bezugspunkte für das malerische und das zeichnerische Spätwerk werden sie auch in der aktuellen Albertina-Schau (Max Weiler - Der Zeichner, bis 9. Oktober) thematisiert. Soweit der kunsthistorische Aspekt.

Lukrativer Künstlermüll

Im Alltag produzierte Weiler in seinem Innsbrucker Atelier auch weiterhin Abfall, von ihm selbst als solcher deklariert, da er im Gegensatz zu den inspirierenden Probierblättern keinen künstlerischen Wert besaß. Atelierbesuchern gefiel dieser Ausschuss trotzdem, und der Künstler überließ ihn ihnen und einem seiner Gehilfen als Souvenir. Dass solches Schmierpapier Jahre später als vermeintlich echte Werke in den Kunstmarkt geschleust werden, wollte er wohl nicht ahnen.

Um Signatur und Datierung aufgepeppt tauchten solche Blätter wenige Jahre nach seinem Tod 2001 vorerst unerkannt auf dem Kunstmarkt auf. Die ersten Exemplare von "verfälschtem" Weiler-Schmierpapier wurden 2004 "im Kinsky" als Falsifikat entlarvt. Die Künstlerwitwe ließ diese von der Kriminalpolizei beschlagnahmen.

Anfang 2005 dürften sie wieder in den Besitz des "Eigentümers" gelangt sein, der die "Verfälschungen" nun über ein anderes Auktionshaus versteigern lassen wollte. Im Mai 2005 standen sie bei Wolfdietrich Hassfurther im Angebot, taxiert auf je 5000 bis 7000 Euro. Als Autografenspezialist hatte er immerhin im Katalog angeführt: "Bezeichnet, datiert von fremder? Hand". Vom "Kinsky" prompt informiert, retournierte auch er die Blätter an den Einbringer.

Es folgten gerichtliche Erhebungen, die allerdings eingestellt wurden. Begründung: Der involvierte ehemalige Hilfsarbeiter sei altersbedingt nicht vernehmungs- bzw. prozessfähig. Laut Protokollen habe er diese Blätter jedenfalls ohne Signatur verkauft, mehr wisse er nicht.

Plumpe Hinzufügungen

Bis heute kam man den Verantwortlichen nicht auf die Spur. Sehr zum Ärger von Yvonne Weiler, zumal solche "Arbeiten" aus ihrer Sicht wohl nicht allen Ernstes mit Kunstwerken ihres verstorbenen Mannes vergleichbar seien. Selbst aus zehn Kilometern Entfernung nicht, wie die Witwe betont.

Wie viele solcher Blätter noch immer im Handel kursieren? Man weiß es nicht. Aktuell wurde jedenfalls ein weiteres entlarvt - allerdings erst, nachdem der Katalog zur 86. Kunstauktion im "Kinsky" bereits gedruckt und verschickt worden war. Lot 295, geschätzt auf 7000-12.000 Euro, wurde zurückgezogen, wie das Auktionshaus Dienstagabend (27. 9.) zum Auftakt der Versteigerung mitteilte.

In diesem Fall war das Schmierpapier allerdings nicht nur um die Signatur und Datierung ergänzt worden: "Im unteren Teil des Blattes finden sich plumpe Hinzufügungen in Blau und Rot", die sich, wie es Edelbert Köb formuliert, "in ihrer Gesetztheit, ihrer Absichtlichkeit deutlich von den freien, zufälligen und liquiden Formbildungen" vom Schmierpapier unterscheiden würden. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 1./2. Oktober 2011)