Bild nicht mehr verfügbar.

Anwar al-Awlaki auf einer Aufnahme aus dem Oktober 2008.

Foto: AP Photo/Muhammad ud-Deen

Sanaa - Knapp fünf Monate nach Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden, den ein US-Spezialkommando in Pakistan umbrachte, ist offenbar ein weiterer Anführer des Terrornetzwerks getötet worden. Der von den USA als einer der meistgesuchten Terroristen eingestufte radikale Islamist Anwar al-Awlaki sei im Jemen ums Leben gekommen, erklärte das Verteidigungsministerium des Landes am Freitag in Sanaa. Stammesvertreter sagten, Awlaki, der die amerikanische Staatsbürgerschaft besaß, sei bei einem US-Luftangriff getötet worden.

US-Justizministerium autorisierte Tötung

Ein geheimes Schreiben des US-Justizministeriums hat einem Zeitungsbericht zufolge die Tötung des in den USA geborenen radikalislamischen Predigers Anwar al-Awlaki im Jemen autorisiert. Das Dokument sei geschrieben worden, nachdem die Regierung mögliche rechtliche Bedenken gegen die gezielte Tötung eines US-Bürgers überprüft habe, berichtete die "Washington Post" am Freitag unter Berufung auf US-Offizielle. Es gebe in der Regierung keinerlei Dissens über die Legalität der Tötung von Awlaki, der als erster US-Bürger auf die "Töten oder Gefangennehmen"-Liste der CIA gesetzt worden war.

Mit Awlaki seien weitere Al-Kaida-Kämpfer ums Leben gekommen, hieß es in der Mitteilung des Verteidigungsministeriums, die jedoch keine Angaben zu den Todesumständen machte. Nach Angaben der Stammesvertreter starb Awlaki bei einem Angriff von US-Kampfflugzeugen auf zwei Fahrzeuge in der Wüstenprovinz Marib im Osten des südarabischen Landes. "Die Attacke wurde von US-Flugzeugen ausgeführt", hieß es. Die Kampfjets überflogen die Region demnach bereits seit einigen Tagen.

Jugend in den USA

Durch seine Jugendjahre in den USA, wo er geboren wurde, wusste der 40-Jährige besonders gut, wie man kulturell entfremdete Muslime im Westen für den islamistischen Terror gewinnt. Er soll mehrere englischsprachige Islamisten im Jemen rekrutiert haben, um Anschläge im Ausland auszuführen. So stand Awlaki etwa in Kontakt mit dem "Unterhosenbomber", der zu Weihnachten 2009 versuchte, eine Passagiermaschine über Detroit zu sprengen.

Mehrfach rief er Muslime dazu auf, US-Bürger zu töten. Awlaki soll zudem in Kontakt mit dem Amokläufer von Fort Hood gestanden sein, der 2009 auf dem US-Militärstützpunkt 13 Menschen getötet hatte.

"Gezielte Tötung" angeordnet

Im April 2010 ordneten die USA Awlakis "gezielte Tötung" an. Die "New York Times" berichtete, es sei "extrem selten" oder gar das erste Mal, dass ein Amerikaner auf die Todesliste gesetzt werde. Der Vater des Terrorverdächtigen versuchte vergeblich, seinen Sohn auf juristischem Wege von der Liste streichen zu lassen. Ein Bezirksgericht in Washington verwarf seine Klage. Im Mai vergangenen Jahres hatte eine US-Drohne den gesuchten Terroristen bei einem Raketenangriff im Jemen verfehlt. Nachdem ein Gericht im Jemen im November seine "gewaltsame Festnahme" angeordnet hatte, verschärften die Sicherheitskräfte des Landes ihre Jagd auf Awlaki.

Obama: "Für Al-Kaida und ihre Verbündeten gibt es keinen sicheren Hafen"

Präsident Barack Obama hat die Tötung des islamistischen Hasspredigers Anwar al-Awlaki im Jemen als weiteren Meilenstein im Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet. Die Tötung Awlakis sei ein weiterer Beweis, dass es für die Al-Kaida und ihre Verbündeten keinen sicheren Hafen gebe, sagte Obama am Freitag.

Der jemenitische Staatspräsident Ali Abdallah Saleh hat den Westen vor weiteren Rücktrittsforderungen gewarnt und sich als verlässlichen Partner im Kampf gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida dargestellt. "Wir kämpfen in Koordination mit den Amerikanern und den Saudis gegen Al-Kaida in (der Provinz) Abyan", sagte der 69-Jährige in einem Interview mit der "Washington Post" (Freitag). Saleh wandte sich in dem Interview direkt an die Öffentlichkeit in den USA: "Ich möchte eine Frage stellen: Haltet Ihr an Eurer Verpflichtung fest, die Einsätze gegen die (afghanischen) Taliban und Al-Kaida fortzusetzen? Falls ja, dann ist es gut. Aber was wir sehen ist, dass die USA und die internationale Gemeinschaft Druck ausüben, den Prozess der Machtübergabe zu beschleunigen. Und wir wissen, wo die Macht hingeht. Sie geht zu Al-Kaida."

Rückzugsgebiet der Al Kaida

Saleh wird in der eigenen Bevölkerung kritisiert, weil seine Regierung den Kampf gegen das Terrornetzwerk Al-Kaida immer mehr den USA überlassen hat. Vor allem die Stammesregion um Marib östlich von Sanaa gilt als Rückzugsgebiet von Al-Kaida. Im Mai des Vorjahres war der Vizegouverneur der Provinz Marib, Jaber al-Shabwani, von einer Kampfdrohne der US-Armee getötet worden.

Der Präsident war erst vor einer Wochen nach Sanaa zurückgekehrt. Der seit 1978 regierende Staatschef war Anfang Juni bei einem Bombenangriff auf den Präsidentenpalast verletzt und dann zur medizinischen Behandlung nach Saudi-Arabien gebracht worden. In den Tagen zuvor war der Machtkampf mit der Opposition und Stammesführern eskaliert. Seit Jänner fordert die Protestbewegung den Rücktritt Salehs. Die Opposition macht ihn für den Tod von mindestens 650 Demonstranten seit Ausbruch der Proteste verantwortlich. (APA)