Passagiere auf einem sinkenden Schiff? Das Telco-Panel zur Diskussion "Mut zur Differenzierung".

Foto: Medientage/Johannes Brunnbauer

Fakt ist: Wo früher in der Telekommunikation Geld zu verdienen war, regiert jetzt das Negativwachstum und die Margen der Netzbetreiber schrumpfen. Die einführende Keynote von Karim Taga von Arthur D. Little beim Telco-Panel "Mut zur Differenzierung" veranschaulichte die kommenden Herausforderungen für die Branche und wurde von besorgten Blicken und konstantem Nicken der geladenen Entscheidungsträger begleitet.

Laut Taga ist die eingangs geschilderte Entwicklung von globalem Ausmaß und treibt große Player außerhalb Europa dazu, ihre Infrastruktur zu verkaufen und hohe Investitionen bis zu 1,5 Milliarden Euro in Cloud Computing zu tätigen.

Exitstrategien

Als Ausweg werden auf den großen Konferenzen weltweit vier Szenarien beschworen, erzählte Taga:

  • Kooperation unter Netzbetreibern, um die laufenden Kosten zu minimieren.
  • Effizienzsteigerung, die auch durch Kooperation mit Geräteherstellern erreicht werden kann.
  • Die gemeinsame Entwicklung neuer Businessmodelle innerhalb der Branche.
  • Die Zusammenarbeit mit Partnerfirmen beziehungsweise deren Aquise, um in Bereichen wie Cloud Computing, Machine-2-Machine oder eHealth Fuß fassen zu können.

2015, zeigte Taga auf, wird in Europa der Punkt erreicht sein, an dem die Produktionskosten eines Gigabytes dessen Marktwert überschreiten. Deshalb sei es höchste Zeit, sich an den Erfolgsstrategien moderner Unternehmen zu orientieren, um in dem Triumvirat Telecom Player, Content Player und System Player Synergien ausloten.

Zeiten ändern sich

Robert Chvátal von T-Mobile ergriff als Erster das Wort und bestätigte Taga in seinem Vortrag: "Das Telekommunikationsgeschäft wird von Over-the-Top Playern wie Google, Facebook & Co. angegriffen. Wir betreiben traditionell ein stark reguliertes Geschäft, aber die Zeit für Veränderung ist gekommen. Allein die Tatsache, dass unsere Preise sinken, obwohl der Konsumentenindex steigt, ist ein Warnsignal."

Nachdem Thomas Hintze sich von den Problem unberührt gab, seine Zukunft im "Internet of Things" verortet und UPC als "fundamentalistische Festnetzseite" bezeichnete, platzte Michael Krammer von Orange der Kragen und er stieg emotional in seinen Abgesang der Telco-Branche ein.

"Wir sind feste Trottel"

"Apples Umsatz im zweiten Quartal betrug 25 Milliarden Dollar. Sie haben 18,7 Millionen iPhones verkauft, die wir Mobilfunker mit durchschnittlich 400 Dollar pro Stück stützen. Das heißt, allein 30 Prozent des Umsatzes kommen von uns. Hier braucht man Mut zur Selbstreflexion: Wir sind feste Trottel", warf Krammer in die Runde, um kurz darauf auf die Aktienpolitik der Großkonzerne einzuschlagen. "Die meisten von uns sind börsennotierte Unternehmen, die zweimal jährlich durchschnittlich zehn Prozent Rendite an unsere Aktionäre ausschütten, um diese zufrieden zu halten. Würden wir diese nur zweimal einbehalten, könnte sich beispielsweise die Telekom France Skype leisten, aber nein, das tun wir nicht. Wir sind in Wirklichkeit ein Junkbond."

Angebot von Nokia

Alexander Oswald von Nokia, das Unternehmen befindet sich selbst gerade durch die neue Partnerschaft mit Microsoft in der Selbstfindungsphase, versuchte aus der prekären Situation das Beste rauszuholen und die Netzbetreiber auf ein gewinnbringendes Miteinander einzuschwören. "Mit Apple gibt es keinen partizipativen Ansatz. Nokia schließt mit allen Netzbetreibern individuelle Billingsysteme ab, sodass der über Content kommende Umsatz geteilt wird", versuchte er sein Unternehmen als Leuchtturm zu positionieren.

M2M für A1

Alexander Sperl von A1, der einzige Anbieter, der sich keinem Großkonzern verpflichtet fühlen muss, verortete durchaus Überlebenschancen in Nischenbereichen und sandte zudem einen Appell an die Politik. "Wir arbeiten daran eine Schnittstelle zu werden. Auf dem Plan steht die Vertikalisierung für extra Wertschöpfung. Wir haben beispielsweise ein Machine-2-Machine (M2M) Unternehmen gegründet. Wir rechnen weiters damit, dass die Nachfrage nach Bandbreite weiter exponentiell steigen wird und es einer nachhaltigen Qualitätssicherung bedarf. Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, braucht es zusätzliche regulatorische und politische Rahmenbedingungen."

Hutchison 3G für Apple

Jan Trionow von Hutchison 3G stellte sich bewusst gegen das Apple-Bashing und erinnerte die Anwesenden daran, dass die Probleme hausgemacht seien und Apple der Branche durch ein exzellentes Produkt eigentlich einen Gefallen getan habe. Die Strategieplanung solle sich weniger auf globaler Ebene abspielen, sondern die lokalen Chancen im Servicebereich, im Bundeling und als Bit-Pipe ausloten. "Unsere Preise wären in Österreich auch so in den Keller gerutscht", hielt Trionow fest und bemerkte trocken "und wir hätten uns auch so die Köpfe eingeschlagen."

Conclusio

Krammer brachte abschließend ein weiteres Hindernis auf dem Weg in die Zukunft zur Sprache: "Wir können nur skalieren, wo wir auch ein Netz hinbauen. Die hohe Kostenintesität ist ein großer Nachteil unseres Geschäfts, die Googles und Skypes hingegen schreiben einfach ein 'Programmerl' um."

Die Schlussfolgerung des Orange-Bosses kam dann wie ein allgemeingültiges Eingeständnis daher: "Wir müssen innerhalb und außerhalb des Unternehmens die Effektivität erhöhen und durch Investitionen in andere Themenbereiche einsteigen. Und es bleiben uns die Zusatzgeschäfte: der Versicherungsverkauf und der Zubhörverkauf." Hätte die Diskussion nicht eine kräftige Portion österreichischen Schmähs transportiert, hätten wohl alle Anwesenden den Raum mit hängendem Haupt verlassen. (tara/derStandard.at/30.09.2011)