Was wurde eigentlich aus "I love you" ? Vor gut zehn Jahren hat ein Computervirus mit diesem sympathischen Namen die Diskussion um Datensicherheit auf den Kopf gestellt. Obwohl immer noch Viren, Würmer und Trojaner ihr virtuelles Unwesen treiben, sind sie zumindest derzeit aus der breiten öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Viele private Anwender scheinen ihre Hausaufgaben mit der Installation von Firewalls und Virenschutzprogrammen gemacht zu haben. Dafür klaffen dort, wo unsere Daten von Amts wegen gespeichert und weitergegeben werden und es deshalb für Hacker erst so richtig interessant wird, offenbar größere Lücken im Umgang mit dem Datenschutz.

In der Wolke um Datensicherheit oszillieren derzeit vor allem Zivilgesellschaft und Verunsicherung - und das noch dazu in einer wechselseitigen Beziehung. Internetaktivisten wie die von Anonymous, wo jeder willkommen ist, der es technisch draufhat, per Mausklick Hürden zu überwinden, berufen sich auf ihr Engagement gegen Überwachung und für Persönlichkeitsrechte. Und sie sind sicher nicht die Einzigen, die sich beispielsweise durch die umstrittene Vorratsdatenspeicherung und andere geplante Polizeibefugnisse verunsichert fühlen.

Gleichzeitig verunsichern die namenlosen Rebellen aber mit ihrer Praxis, Datenbanken anzuzapfen und deren Betreiber bloßzustellen, den Rest der Bevölkerung. Die Aktion, 25.000 Namen und Adressen von Polizisten zu veröffentlichen, war jenseitig. Namen und Adressen sind zwar in der Regel keine besonders schutzwürdigen Daten, sie stehen in jedem Telefonbuch, aber gerade Kriminalbeamte haben berufsbedingt häufig nicht nur Freunde und müssen sich deshalb zum eigenen Schutz aus dem Telefonbuch und aus dem Melderegister streichen lassen.

Und noch ein aktuelles Beispiel: Als am Mittwoch bekannt wurde, dass der Tiroler Gebietskrankenkasse an die 600.000 Datensätze "entwischt" sind, wollten gleich zahlreiche mögliche Betroffene ihre E-Cards sperren lassen. Was zwar völlig nutzlos ist, da auf der E-Card nichts Geheimes gespeichert ist, aber es zeigt eben den Grad der Verunsicherung. Und auch das hohe Maß an Unwissenheit.

Gerade bei der Vermittlung von Wissen muss angesetzt werden. Fast jeder nutzt moderne Kommunikationstechnologien, aber nur die wenigsten wissen über das - im übertragenen Sinn - Kleingedruckte Bescheid. Im Gegenteil: Die Kluft von Wissenden und Unwissenden wird immer größer. Sensible Daten wie Kreditkartennummern, Lohnzettel oder Bankauskünfte werden immer noch unverschlüsselt rund um den Globus geschickt. Und in privaten Netzwerken wird einem hinter den bunt blinkenden Kulissen viel mehr abgeluchst als nur Name und Geburtsdatum.

Werbung für den Datenschutz und Aufklärung über Betroffenenrechte ist eine Aufgabe, die der Staat erfüllen muss. Wer weiß schon, dass man sich in Datenschutzangelegenheiten an die Datenschutzkommission wenden kann? An eine Behörde, die im Übrigen von der Republik mit nur zwanzig Planposten unverschämt klein gehalten wird. Im gleichen Maß wie Polizeibefugnisse müssen auch Betroffenenrechte gestärkt und deren Anwendung vereinfacht werden. Wenn nicht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Wutbürger mit berechtigten Anliegen als Terrororganisation eingestuft werden. (DER STANDARD Printausgabe, 29.9.2011)