Brüssel/Wien/Essen - Die EU-Kommission verdächtigt Erdgas-Unternehmen in Europa, beim Gaspreis mit unfairen Bandagen zu kämpfen. Mehrere Gasversorger in Ost- und Zentraleuropa waren am Dienstag Ziel einer großangelegten Razzia. In Österreich bestätigte der Öl- und Gaskonzern OMV, dass das Unternehmen von den Untersuchungen betroffen sei. Auch die Räumlichkeiten der zur OMV gehörenden Beteiligung Econgas sowie der Gashandelsgesellschaft Centrex, eine Tochter der Gazprombank, Ziel der Kartellermittler. In Deutschland bekamen der russische Gaslieferant Gazprom in Berlin und Deutschlands größte Ferngasgesellschaft E.ON Ruhrgas sowie RWE Besuch von den Fahndern.

Einer Aussendung der OMV zufolge fanden in mehreren europäischen Ländern Prüfungen der EU-Kommission statt. "Auch bei österreichischen Unternehmen im Gasbereich. Wir kooperieren selbstverständlich mit den Behörden und unterstützen diese bei ihren Nachprüfungen", hieß es im OMV-Statement. Inhaltlich wollte man sich vorläufig nicht weiter dazu äußern. Von der EVN hieß es, das Unternehmen sei von den Ermittlungen nicht betroffen.

Ein Sprecher des deutschen Versorgers RWE erklärte, dass es "eine Nachprüfung zum Vorwurf von wettbewerbswidrigen Klauseln von Gaslieferverträgen von Gazprom" gegeben habe. "RWE unterstützt die Überprüfung in vollem Umfang und kooperiert mit der Europäischen Kommission," erklärte er. Nach einem Bericht von "Wirtschaftswoche online" wirft die EU-Kommission Gazprom Germania in einem achtseitigen Schreiben vor, ihre Marktmacht zu missbrauchen und den Wettbewerb durch Preisabsprachen zu behindern. "Die Vorwürfe richten sich vor allem auf Gasgeschäfte mit Großhändlern in mittel- und osteuropäischen Ländern", schrieb "Wirtschaftswoche online". Auch das Gazprom-Tochterunternehmen in Tschechien sei durchsucht worden.

Weitere Durchsuchungen in Österreich

Auch am Mittwoch wurde ein weiterer österreichischer Standort durchsucht. Dabei handelt es sich um die in der Wiener Löwelstraße ansässige GWH Gashandel GmbH. Sie gehört zur Gruppe der russischen Gazprom. Die OMV wie auch betroffene deutsche Firmen haben volle Kooperation mit den Behörden zugesagt. Aber auch Gazprom "hat nichts zu verbergen und sieht den Untersuchungen gelassen entgegen", sagte der Sprecher der deutschen Tochter des russischen Energiekonzerns, Burkhard Woelki, am Dienstag. "Wir arbeiten offen und konstruktiv mit der EU-Kommission zusammen."

Nichts zu verbergen

Auch beim russischen Gaslieferanten Gazprom Germania in Berlin sichteten Fahnder erneut Akten und kopierten Dokumente, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Russland pochte im Zusammenhang mit den Durchsuchungen am Mittwoch in einer Mitteilung auf die Einhaltung von Rechten und Interessen von russischen Investoren. Diesen Schutz sähen internationale Vereinbarungen über ausländische Geldgeber sowie über Gaslieferungen vor, teilte das Energieministerium in Moskau nach Angaben der Agentur Interfax mit. Der Staatskonzern Gazprom reagierte gelassen auf die Durchsuchung. Das Unternehmen sei offen für einen Dialog mit der EU-Kommission und werde die Ermittlungen unterstützen, teilte Gazprom mit.

Auch die Ermittlungen gegen die deutschen Energiekonzerne E.ON Ruhrgas und RWE wurden fortgesetzt. Neben den Essener Konzernzentralen der beiden Unternehmen hatten die Fahnder der EU-Kommission in Begleitung von Mitarbeitern des Bundeskartellamts bereits am Dienstag auch osteuropäische Tochtergesellschaften der beiden Unternehmen unter die Lupe genommen. Ein E.ON-Ruhrgas-Sprecher bestätigte Ermittlungen in Essen und der Slowakei. Bei RWE hieß es, neben der Konzernzentrale und der für den Energiehandel zuständigen Essener RWE-Tochter Supply und Trading sei die tschechische Tochter Transgas unter die Lupe genommen worden.

"Gazprom hat nichts zu verbergen und sieht den Untersuchungen gelassen entgegen", sagte der Sprecher der deutschen Tochter des russischen Energiekonzerns, Burkhard Woelki. "Wir arbeiten offen und konstruktiv mit der EU-Kommission zusammen."

Ein Sprecher von E.ON bestätigte auf Anfrage, Büros des Unternehmens in Essen seien durchsucht worden. Man werde "konstruktiv" mit der EU-Kommission zusammenarbeiten. Zu weiteren Einzelheiten wollte er keine Stellung nehmen.

Die EU-Kommission nannte die Namen der betroffenen Firmen nicht. Es handle sich um Unternehmen in Zentral- und Osteuropa, die in der Versorgung, der Lieferung und Lagerung von Erdgas aktiv seien - im Fokus stünden die Versorgungsmengen. "Die EU-Kommission befürchtet, dass die Unternehmen unfaire Wettbewerbspraktiken anwenden", schrieb die Kommission. Falls die EU-Wettbewerbshüter später ein förmliches Kartellverfahren eröffnen sollten, drohen den beteiligten Unternehmen Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Preis- und Konditionenabsprachen zum Schaden von Verbrauchern und Kunden sind in der EU streng verboten.

Gazprom ist der größte Gaslieferant Europas und scherte sich in der Vergangenheit wenig um EU-Recht. Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission nur mit Mühe verhindern können, dass ein Liefervertrag mit Polen gegen die Binnenmarkt-Vorschriften der EU verstieß. (APA/Reuters)