Figurative Plastiken zeichnen Walter Pichlers Werk von den 1970er-Jahren bis heute nach: "Bewegliche Figur" im Organzakleid (1982) und "Zusammengesetzte Figur" (1999).

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Rare Skulpturenschau von Walter Pichler (75).

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Wien - Super-Design. Spricht man mit Künstlern über die 1960er-Jahre in Wien, erinnern sich viele an diese legendäre Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan, der damaligen Keimzelle österreichischer Avantgarde: Zu sehen waren Arbeiten im Grenzbereich zwischen Architektur, Design und Skulptur von

Oswald Oberhuber, Bruno Gironcoli, Roland Goeschl sowie Hans Hollein und Walter Pichler, die dort bereits 1963 utopische Architekturmodelle vorgestellt hatten.

Auch das Plakat zur Schau glich einer Seite eines Zeitgeist- oder Mode-Magazins; es zeigte keine "Schmuddelkünstler" im Rollkragenpulli, von denen sich Pichler, ein deklarierter Dandy, absetzen wollte, sondern Kunstschaffende in maßgeschneiderten Anzügen.

"Wir haben Kleidung schon als die erste Schale der Architektur betrachtet", erzählte Pichler 1997 im Rückblick auf die Zeit, in der jene an Astronautenkleidung erinnernden Entwürfe - Standardanzug oder Kleiner Raum - entstanden. "Ich habe meine Arbeiten immer mehr als Räume gesehen denn als Skulpturen". Räume, deren Proportion allerdings der menschliche Körper bestimmt.

Walter Pichler war damals Anfang 30 und das, was man heute einen Shooting-Star nennt. Er hatte im Museum of Modern Art in New York ausgestellt, an der Documenta 4 in Kassel teilgenommen, war weit herumgekommen. Den internationalen Angeboten, die ihm damals zuflatterten, misstraute er jedoch: "Da hat sich eine Welt aufgetan, von der ich mir gedacht habe: Das ist nichts für mich": Trotz eingestandener Eitelkeit wählte er einen anderen Weg.

Pichler entzieht sich der Schnelligkeit des Kunstmarkts, arbeitet zurückgezogen und konzentriert an seinen Skulpturen, für die er Häuser, maßgeschneiderte architektonische Hüllen baut: 1972 erwarb er einen alten Bauernhof im Südburgenland, der ihm seither die Verwirklichung seines raumgreifenden Gesamtkunstwerks ermöglicht. Die Skulpturen des Staatspreisträgers sind daher unverkäuflich und dürfen selten ausgestellt werden; verkauft werden einzig Zeichnungen, Entwürfe und Modelle.

Nun ist einer dieser raren Momente eingetreten: Pichler hat seine im Spannungsfeld zwischen Architektur und Skulptur stehenden Arbeiten auf die Reise geschickt. Und obwohl die älteste Arbeit im Mak ins Jahr 1971 datiert, wird das Kontinuum in seinem Werk nur allzu deutlich. So etwa in Schädeldecke (wie ein Gebäude), 2007, die ebenso wie die Köpfe des Kleinen Rumpf (1997) und der Beweglichen Figur (1982) an seine helmartigen Prototypen erinnert: so etwa an TV-Helm (Tragbares Wohnzimmer), 1967, eine Kapsel mit integriertem Fernsehapparat zum Überstülpen. Als "Isolationszelle" beschrieb sie Pichler, der die Isolation der Individuen durch Massenmedien befürchtete.

Bedrohliche Betten

Der Begriff der Isolationszellen scheint im psychologischen Sinn auf viele der versammelten Arbeiten zu passen: Eine klaustrophobische Atmosphäre geht von den architektonischen Körperhüllen und skulpturalen Rüstungen wie der Beweglichen Figur im Organzakleid aus, die den Medienverdorbenen unweigerlich an Darth Vader erinnert. Noch beengender die Reihe der Betten, die 1971 mit einem alten Spitalsbett beginnt. Bleivertiefungen definieren den Raum der Extremitäten, gebrochene Glasplatten ragen bedrohlich, Verletzung verheißend in die Höhe. 2001 wird das Bett abstrakter, aber auch beängstigender in seiner Wirkung. 2011 folgt der Schlafende, sein Bett gleicht einem Gefängnis. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe 28.9.2011)