Polizeiopfer Mike Brennan ist mit seinem Fall juristisch am Ende. Das Berufungsgericht bestätigte die Schuld des Beamten, der ihn niedergerungen hatte. Allerdings muss der weniger zahlen.

Foto: Michael Möseneder

Wien - Schwarz und Weiß spielen beim letzten Akt im "Fall Brennan" eine ziemlich wichtige Rolle. "Ja, ein Schwarz-Weiß-Denken gab es in dem Fall von Anfang an", erklärt der Angeklagte Christian S. im Saal F des Oberlandesgerichtes Wien. "Nur dass ich der Schwarze und er der Weiße war", sagt der Polizist bei seinem Schlusswort, das er entgegen dem Rat seines Anwaltes hält. Der Kärntner, früher Drogenfahnder in Wien, ist über die Vorverurteilungen durch die Medien, die er ortet, verärgert. Und legt auch einen Packen kopierter Zeitungsausschnitte auf den Tisch. "Zur freien Entnahme."

Dass S. an diesem Dienstag in seiner Berufungsverhandlung auf dem Anklagebank vor dem Senat unter dem Vorsitz von Charlotte Habl sitzt, liegt am 11. Februar 2009. Genauer: an der Amtshandlung, die er damals durchgeführt hat. Beim Versuch, einen mutmaßlichen Drogendealer in einer U-Bahn-Station festzunehmen, kam es nämlich zu einer Verwechslung. Und statt den Drogenhändler überwältigte der Beamte den afroamerikanischen Sportlehrer Mike Brennan, der dabei verletzt wurde.

Zweimal gegen Sorgfaltspflicht verstoßen

Fast zwei Jahre später, im heurigen Jänner, wurde der mittlerweile nach Kärnten versetzte Beamte dafür verurteilt. 2800 Euro Geldstrafe oder 50 Tage Haft, lautete damals der Richterspruch. Der Kriminalpolizist wollte sich damit nicht abfinden, er gesteht zwar die Verwechslung absolut ein, strafbar habe er sich aber nicht gemacht.

Was der Berufungssenat ganz und gar nicht so sieht. Zweimal habe er gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen, erklärt Vorsitzende Habl in ihrer Urteilsbegründung. Erstens hätte er sich überzeugen müssen, ob Brennan überhaupt der Gesuchte ist. Denn: "Die Jacke unterschied sich auffällig und vor allem die Kopfbedeckung", hält die Juristin fest. Obwohl sie das später relativiert: Ähnlich gesehen hätten sich die beiden Männer schon. Und zweitens hätte er Brennans Reaktionslosigkeit auf die Worte "Stop, police!" nicht sofort als Fluchtversuch werten dürfen. Und ihn von den Beinen holen und auf den Bahnsteig werfen dürfen. Denn schließlich habe der Sportlehrer gerade telefoniert. "Er hat Sie also schlicht nicht gehört."

Angaben können laut Sachverständigen nicht stimmen

Die Schuld bleibt, die Strafe geht dennoch - teilweise. Denn statt 2800 Euro oder 50 Tage Haft sind es nun 1680 Euro beziehungsweise 30 Tage. Unbedingt bleibt sie. Denn andernfalls "wäre das eine Bagatellisierung des Polizeieinsatzes".

Zur Überraschung und zum Befremden von Brennans Anwalt Wilfried Embacher geht sie aber auch seinen Mandanten frontal an. Man habe ihm in der ersten Verhandlung "nicht glauben können". Denn seine Behauptung, er wäre sofort bei Verlassen des Zuges umgerannt worden und Polizisten hätten ihn mit Faustschlägen traktiert, könne laut Sachverständigen nicht stimmen.

Und schlussendlich bringt auch Habl Schwarz und Weiß ins Spiel. Denn rassistisch motiviert sei der Vorfall nicht gewesen. "Der Verdächtige hat eben so wie Brennan eine schwarze Hautfarbe gehabt. Die Verwechslung wäre aber auch passiert, wenn beide eine weiße Hautfarbe gehabt hätten", ist sie überzeugt. (Michael Möseneder, DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2011)