Beiwagerl eines Heurigenwirts: Michael Jeannée

Foto: derStandard.at

Seit der Gründung eines von der "Kronen Zeitung" als Krawallblatt identifizierten Presseprodukts lacht das Land über die Leitartikel seines Herausgebers. Samstag ließ Wolfgang Fellner zurückschlagen. Gestern Abend lachte sich das Land über den peinlichen Auftritt von Krone-Schreiber Jeannée kaputt. Es war die Hinrichtung der Woche, behauptete der Kritiker des ORF-Formats, das in diametralem Gegensatz zu seiner Bezeichnung dem Publikum als Die große Chance angeboten wird. Was angesichts der Tatsache, dass der Krone-Schreiber mit seiner Kolumne ohnehin wöchentlich mehrmals journalistischen Selbstmord begeht, etwas übertrieben erschien.

Ganz falsch war es aber nicht, sonst hätte die "Krone" nicht am Freitag, vor Ausstrahlung des peinlichen Auftritts versucht, mit einem Foto Jeannées und eines Herrn Sido, von Beruf Skandal-Rapper, auf Seite 1 gegenzusteuern. In Umkehrung der Tatsachen hieß es dort "Krone"-Postler gegen Rapper Sido, obwohl es eindeutig besagter Sido war, der die große Chance Jeannées, nach einem Leben bei "Bild" und "Krone" wenigstens als Beiwagerl eines Heurigenwirts einmal ins Fernsehen zu kommen, von Anfang an zu unterminieren suchte, indem er ihn anhand eines aus dem Krone-Schreiber heraushängenden Schlüsselbundes als Hausmeister erkannt haben wollte und die Sinnhaftigkeit seiner telepathischen Schmarotzerexistenz an der Seite eines Motorengeräusche produzierenden Mundschenks überhaupt infrage stellte.

Das Foto schien der "Krone" aber nicht ausreichend, ihre Leserschaft auf Linie zu bringen. Über fast die ganze Seite 12 zog sich ein Artikel über Sido: Das Leben des "ORF-Stars" als einziger Mix aus Kriminalität & Taktlosigkeit. Er steht auf Drogen, reißt Witze über Kampusch und Fritzl, singt von sexueller Gewalt gegenüber Kindern und musste wegen Beleidigung, Bedrohung sowie versuchter Körperverletzung vor Gericht. Da wird über Kot gesungen, über "Neger" und "Dildos", widerliche Sexpraktiken und Dinge, die jedem normalen Menschen den Magen umdrehen. Nur Jeannée - der war selbst ihm zu unappetitlich. Er versuchte die große Chance zu nutzen, die ihm der ORF zur Besserung bot und schnauzte ihn an: "Du willst dich doch nur großmachen hier, verschwinde einmal von der Bühne!"

Auch der Steckbrief schien der "Krone" noch nicht ausreichend. Im Fernsehteil des Blattes kroch der Jurorenkollege Sidos, Roncalli-Direktor Bernhard Paul, stellvertretend zu Kreuze. In Mein Brief an Michael Jeannée schleimte er sich ein wie folgt: Wir kennen uns jetzt schon seit den Tagen, als du noch die Edelfeder bei der größten deutschen Tageszeitung warst. Nun, eine Edelfeder bist du noch immer und damit auch ein Mensch, der polarisiert. Solche Menschen sind das Salz in der Suppe.

Er schilderte dann den Lesern den Verlauf der Sendung, ehe sie diese gesehen hatten und sich ein von der "Krone" noch nicht vorgekautes Urteil hätten bilden können. Was er ausließ, waren zwei bemerkenswerte Sätze, die ihm entschlüpften, als er vor laufenden Kameras bemüht war, Jeannée vor Sido zu schützen und diesen vor jenem zu warnen. Jeannée wäre eigentlich Journalist, und könnte ihn als solcher in seiner Zeitung fertigmachen.

Nun birgt das Wörtchen eigentlich verräterische Substanz, zumal als Adverb, wo es im gegebenen Zusammenhang wohl bedeuten sollte, im Unterschied zum äußeren Anschein wäre Jeannée doch kein Hausmeister, sondern Salz in der Suppe. Als Abtönungspartikel kann eigentlich auch einen verstärkten Vorwurf ausdrücken, etwa in der berechtigten Frage: Ist das eigentlich ein Journalist?

Was den am Schlüsselbund festgemachten Verdacht Sidos betrifft, Jeannée könnte Hausmeister sein, gilt es, einen ehrenwerten Berufsstand in Schutz zu nehmen. Der Schlüsselbund könnte apotropäische Funktion haben, vergleichbar mit der Schelle, die im Mittelalter Aussätzige führen mussten, um mit ihrem Geschepper die Umwelt vor sich zu warnen. Was auf eine gewisse Selbstkritik hoffen lässt, wie sie auch am Samstag in Jeannées Brief Lieber Herr Sido durchklang. Fertigmachen musste er ihn nicht mehr, das wurde schon am Vortag versucht. Also zeigte Jeannée Verständnis. Ich bin Ihnen persönlich nicht gram wegen Ihrer Rülpser und Rüpeleien, denn schließlich müssn S' ja was tun für Ihr Geld. Da müsste er sich auch selber gram sein - so wie er seine große Chance nützt. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 27.9.2011)