Einblick in die Mini-Retrospektive von Rudi Stanzel.

Foto: Galerie Hummel

Sein minimalistischer Stil fiel dem Kunsthändler Julius Hummel bereits vor 25 Jahren auf. Unberührt von der Konjunktur der expressiven Pinselstriche, wie sie mit den "Neuen Wilden" Mitte der 1980er-Jahre gefeiert wurden, folgte Rudi Stanzel bereits damals seiner hierzulande seltenen reduzierten Formensprache. In der Schau der Galerie Hummel (bis 22. Oktober), die einen abwechslungsreichen Querschnitt durch Stanzels Werk bietet, führt ein frühes Längsformat bis 1982 zurück.

Kein Pinsel kam für diese dichte Wechselfolge von schwarzen und weißen Farbflecken zum Einsatz; sie dürften direkt aus der Tube stammen. Auch für das zweite Frühwerk der Schau verweigerte Stanzel das traditionelle Malerwerkzeug: Die Dichte an sich kräuselnden Linien in Weiß und Grau wurde mit den Fingern erzeugt. Dazu passt, dass der 1958 in Linz geborene Künstler lange kein Maler sein wollte.

Zum Entstehungszeitpunkt dieses Ölbilds hatte Stanzel bereits Studienjahre in Amerika und Lehrmonate im Tanzstudio des 2009 verstorbenen Choreografen Merce Cunningham hinter sich. Eine Assemblage auf weiß gestrichenem Holz bringt ein Foto von Tänzern mit Heftklammern und abgerissenen Papierresten zusammen. Der Zufall, den Cunningham als Kompositionsmethode einsetzte, spielt auch in Stanzels Kunst keine geringe Rolle.

Wenngleich ein "Tüftler" (Hummel), gewinnen die sparsamen Arbeiten nicht selten durch Materialeigenschaften Impulse, etwa wenn bei einer mit Grafit bemalten Holzplatte bereits vorhandene Löcher, Kratzer und ausgefranste Ränder eine gelungene Mischung aus Sprödheit und Verletzlichkeit verströmen. Grafit stellt Stanzels "signature material" dar: Er verwendet das Mineral nicht zum Zeichnen, sondern um mit der silbrig-grauen Masse ganze Leinwände zu bedecken, in die er wiederum Längs- und Querstriche kratzt oder schabt.

Kletternde Kohlestifte

Zu diesen kontemplativen Tableaus passt es, dass Hummel sie gemeinsam mit chinesischen und japanischen Antiquitäten ausstellt. Stanzel schätzt die asiatische Kunst hoch. Bei seinem letzten Aufenthalt in China entdeckte er Reispapier als Werkstoff, das ihm seither für die typischen Balken in seinem Bildern dient. Eine solche Mischtechnik von 2008 wird - neben einem frühen Ölbild - auch bei der Zeitgenossenauktion im Kinsky (27. September) um 4000 bis 8000 Euro angeboten.

Die Ausstellung hat aber auch viele Überraschungen zu bieten. In einer Ecke neben der Galerietür klettern Kohlestifte wie eine Art Leiter empor. Die Formensprache der Minimal Art kommt bei dieser frühen Wandinstallation mit einem bevorzugten Material der Arte Povera zusammen. Da verwendet Stanzel plötzlich Comics, die er mit schwarzem Textilbändern überklebt, oder er kreiert ein Triptychon aus Wettex-Stoff, wie man ihn eher vom Künstlerkollegen Marcus Geiger erwarten würde. Für Glanzeffekte auf schwarzen oder weißen Leinwänden sorgen Glimmer, Bitumen, lackiertes Plastik oder geschichtete Transparentfolie. Aber alle Leinwände hin oder her: Stanzel einfach "Maler" zu nennen erscheint nach dieser Mini-Retrospektive obsolet. (Nicole Scheyerer, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 24./25. September 2011)