Gabriela Moser: "Wir steuern auf einen demokratiepolitischen Systembruch zu, weil es in den verschiedensten Korruptions-Bereichen keine Aufarbeitung gibt, sowohl strafrechtlich als auch politisch."

derStandard.at/Pumberger

Das Büro der Grünen Abgeordnete Gabriela Moser ist vollgestopft mit Ordnern. Seit Jahren agiert sie als Aufdeckerin der Machenschaften von Grasser & Co. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt sie, warum sie sich für einen großen Korruptions-Untersuchungs-Ausschuss ausspricht und was für sie so relevant an der aktuellen Inseraten-Affäre um Bundeskanzler Werner Faymann ist, obwohl sie dahinter einen Entlastungsangriff der ÖVP vermutet.

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derStandard.at: Es vergeht kaum ein Tag ohne neuen Korruptionsvorwurf. Wie würden Sie die aktuellen Korruptionsfälle der Relevanz nach reihen?

Moser: Ich kann die Reihung nach einer Finanzsumme oder nach der politischen Gewichtung vornehmen. Beginnend mit Letzterer ist die Inseratenfrage die brisanteste, weil es den noch im Amt befindlichen Bundeskanzler und seinen Staatssekretär betrifft.

Was den finanziellen Schaden der Republik anbelangt, ist jenseits der Eurofighter sicherlich die Frage der Buwog und der Fremdeinmietungen verschiedener Ämter zentral. Hier verlor die Republik eine Milliarde und zahlt jährliche Millionen an Private statt an die BIG. Auch in der Frage des Glücksspiels geht es in die zwei, dreistelligen Millionen, wenn man bedenkt, wieviel Aufwand der Staat mit der Betreuung der Spielsüchtigen hat. Bei der Frage der Staatsbürgerschaft in Zusammenhang mit möglichen Parteispenden ist der politische Sprengsatz größer als der finanzielle Bereich, da geht es um höchstens zweistellige Millionenbeträge.

Bei der Telekom-Affäre wissen wir, dass die Telekom um 15 bis 18 Millionen betrogen wurde, wenn man die Immobilien-Deals, die zu Lasten des Unternehmens gemacht wurden, dazurechnet, ist der Schaden sicher doppelt so groß. Das große Problem der Schädigung der Republik resultiert aus dem Börsenverlust, der sich durch den Imageverlust bei der Telekom ergeben hat. Der Anteil der Republik wurde weit weniger wert, da geht es in die dreistelligen Millionen, wenn nicht in die Milliarde. Der Schaden durch die Behördenfunk-Affäre ist noch nicht abzuschätzen. Es ist nur bekannt, dass der Anbieter-Wechsel 30 Millionen gekostet hat.

Wo das Milliardengrab tatsächlich am tiefsten ist, ist grundsätzlich noch nicht abschätzbar, weil vieles aufgeklärt werden muss.

derStandard.at: Konzentrieren wir uns auf die Inseraten-Affäre. Von Seiten der SPÖ heißt es, dass die Vorwürfe durch mehrere parlamentarische Anfragen auch von Ihrer Person mehrfach abgehandelt wurden. Ist tatsächlich nichts Neues dran?

Moser: Das Neue ist, dass die Staatsanwaltschaft auf Anzeige der FPÖ Ermittlungen aufgenommen hat. Weiters nennt Ex-ÖBB-Chef Martin Huber nun Summen und stellt eine Schädigung der ÖBB in den Raum. Wobei man diese Art der Schädigung sicherlich in Relation zu anderen Entscheidungen Hubers setzen muss - ich nenne nur die Hochegger- und weitere Beraterverträge und Spekulationen. Neu ist daran auch die zeitliche Abfolge bei den Asfinag-Inseraten und dass ÖBB-Dokumente existieren, die einmal Werner Faymann nennen und einmal nicht.

derStandard.at: Glauben Sie, dass man mit der jetzigen Inseraten-Affäre von anderen "Machenschaften" wie der Telekom-Affäre ablenken will, wie z.B. auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer meint?

Moser: Es ist für mich schon eigenartig, dass gerade jetzt in einer gut akkordierten Absprache zwischen Bundesländer-Zeitungen die Inseraten-Thematik so vorrangig platziert wird. Sie hat politische Sprengkraft, und ich habe damals schon "Amtsmissbrauch" als Gedankenstütze auf die Antwort von Faymann auf meine parlamentarische Anfrage geschrieben. Aber er hat je keine Weisung gegeben und es ist ja derzeit in keiner Weise nachweisbar, dass es eine direkte Verbindung zwischen ihm persönlich als Auftraggeber und dem Unternehmen gab. Das dürfte in Gesprächen passiert sein, die laut Zeugen "nachdrückliche Gespräche" waren.

derStandard.at: Glauben Sie, dass die Ablenkung konkret von der ÖVP ausgeht?

Moser: Ich habe gewisse Anhaltspunkte, dass das ein Entlastungsangriff ist. Warum käme es sonst gerade jetzt in dieser Form? Warum regt sich Huber jetzt auf?

derStandard.at: Ausgangspunkt war aber auch die FPÖ-Anzeige.

Moser: Vielleicht ist die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft gegen einen amtierenden Bundeskanzler ermittelt, für sich schon eine Titelgeschichte. Das wird nun in verschiedenen Weiterziehgeschichten ausgeschlachtet. Ich bin ja auch nicht der Meinung, dass man Faymann und Ostermayer von vornherein freisprechen sollte, weil ich es ja selber demokratiepolitisch höchst verfänglich finde, wenn man sich Medien kauft, indem man ihnen Anzeigen verschafft.

derStandard.at: Das heißt, die Affäre ist für Sie weiterhin brisant, auch wenn sie von der ÖVP gesteuert werden sollte?

Moser: Das Faktum an sich bleibt, dass es sich um eine demokratiepolitisch bedenkliche Aktion handelt. Deshalb sollte es dazu auch einen Untersuchungs-Ausschuss geben. Das sind Zustände, die man aus südlichen Ländern gewohnt ist, wo Medien ganz gezielt eingesetzt werden. Natürlich ist das Kleingeld, das die ÖVP damit machen will, eine Begleiterscheinung.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die mediale Schlammschlacht zwischen zwei Chefredakteuren?

Moser: In solche Schlachten mische ich mich nicht ein. Es war abzusehen, dass es dazu kommt. Wenn das eine Medium beschuldigt wird, sucht es Fehler beim anderen und dann geht es ins Persönliche.

derStandard.at: Wie könnte man garantieren, dass die Berichterstattung durch die Politik weniger beeinflusst wird?

Moser: Gänzlich ausschließen kann man das nie. Zur Verhinderung braucht es eine transparente öffentliche Finanzierung der Medien. Die Kriterien, warum das eine Medium so viel und das andere so wenig bekommt, sind dabei jedoch schwer nachvollziehbar. Dass kritische Medien ordentlich dotiert werden, ist demokratiepolitisch unabdingbar. Auf der anderen Seite finanziert sich jedes Medium mindestens zur Hälfte durch Anzeigen, das ist eine marktwirtschaftliche Gegebenheit. Wenn ich politisch verstärkt Anzeigen schalte, dann sollte man aber zur Anzeige auch dazuschreiben, was das gekostet hat.

derStandard.at: Ein Verbot für politische Inserate können Sie sich nicht vorstellen?

Moser: Nein. Wenn sie politisch eindeutig deklariert sind, nicht. Es ist natürlich die Frage in welche Höhe das gehen soll. Ich möchte politisch nicht in den Anzeigenmarkt eingreifen, ich will nur verhindern, dass er politisch missbraucht wird.

derStandard.at: Die Grünen haben gestern gemeinsam mit FPÖ und BZÖ einen U-Ausschuss zu den verschiedensten Dingen, von Inseraten bis Blaulicht gefordert. Macht ein derartiger Kraut-und-Rüben-Ausschuss Sinn?

Moser: Die Themen überschneiden sich ja teilweise. Das Wesentliche ist die genaue Gliederung der einzelnen Bereich. Man könnte unter dem großen Titel Korruptions-Ausschuss Untergruppen machen. Das generelle Problem ist ja, dass die Korruption schon in derart vielen Fällen vorkommt, dass man sich nicht nur auf einen Schauplatz konzentrieren kann und soll. Wenn man sich jetzt nur auf die Telekom konzentriert, wie das die Regierung möchte, dann wird alles andere unter den Teppich gekehrt. Wir steuern auf einen demokratiepolitischen Systembruch zu, weil es in den verschiedensten Korruptions-Bereichen keine Aufarbeitung gibt, sowohl strafrechtlich als auch politisch. Bei einem Placebo-Ausschuss mit nur einem Thema bleibt zurecht ein ungutes Gefühl in der Bevölkerung übrig, und die Leute auf der Straße können sagen: Da haben sie sich's gricht, und dort tun's weiter, wie sie wollen.

derStandard.at: Staatsanwalts-Sprecher Gerhard Jarosch meint, man sollte einen U-Ausschuss erst dann machen, wenn die Justiz ermittelt hat. Sollte man nicht zunächst einmal die Justiz arbeiten lassen?

Moser: Die Justiz muss sowieso ermitteln. Das ist auch bei früheren Untersuchungs-Ausschüssen parallel passiert. Außerdem würden wir die zeitliche Abfolge mit den Staatsanwälten besprechen, damit die Ermittlungstätigkeit durch die Arbeit des Ausschusses nicht beeinträchtigt wird. Spannend ist ja auch, dass für das Telekom-Thema, das für die Justiz relativ neu ist, jetzt ein großkoalitionärer Ausschuss geplant ist. Zu den anderen Bereichen, wie Buwog, arbeitet die Justiz schließlich schon viel länger. Hier sollte man politisch anfangen.

derStandard.at: Wie lange sollte ein solcher U-Auschhuss dauern?

Moser: Das hängt natürlich vom Thema und der Zahl der beteiligten Personen ab. Wir haben uns aber immer für U-Ausschüsse nach dem deutschen Vorbild ausgesprochen, die auf ein halbes Jahr begrenzt sind.

derStandard.at: Wie sehr bremst so ein U-Ausschuss den aktuellen politischen Betrieb?

Moser: Gar nicht. Der aktuelle politische Betrieb ist die Abarbeitung von Regierungsvorlagen. Die Ministerien arbeiten, bringen Vorschläge, die Ausschüsse und Ministerräte tagen, und Gesetze werden im Plenum beschlossen. Das erfolgt unabhängig von der Arbeit des Untersuchungsausschusses, außer die Regierungsparteien tragen ihre Gefechte parteipolitisch in das normale Tagesgeschäft hinein.

derStandard.at: Wie man es ja im Moment merkt.

Moser: Zum Teil. Gewissen Gesetzesmaterien, die der einen Seite mehr dienen, werden blockiert, weil man mit der anderen Seite einen Kuhhandel Richtung U-Ausschuss vorhat - ich weiß nicht genau, wie es zwischen den Regierungspartner zugeht. Rein von der Theorie her sind das zwei Tätigkeitsbereiche des Parlaments. Die Gesetzgebung ist nicht beeinträchtigt in ihrem Ablauf durch eine Kontrolltätigkeit des Parlaments, die in einem U-Ausschuss stattfinden wird.

derStandard.at: Sie selbst denken sich nicht manchmal: Ich würde gerne etwas weiterbringen, verbringe aber den ganzen Tag damit die Vergangenheit aufzuarbeiten.

Moser: Da haben sie durchaus Recht. Aber das normale Konzeptiv-Politische geht Hand in Hand mit dem Kontrollierend-Aufdeckenden. Vom medialen Interesse überwiegt das Zweitere, natürlich nimmt es auch mehr Tageszeit in Anspruch. Das Problem ist, dass die konzeptive Arbeit für eine Oppositionspartei extrem frustrierend ist. Da bringe ich Anträge ein und die liegen auf der überlangen Bank. Wenn ich aufdecke, dann tut sich etwas. Da wird politisch zumindest diskutiert mit der Opposition.

derStandard.at: Die Skandale treffen Parteien, die an die Macht gekommen sind, die am Futtertrog sitzen. Wie kann man verhindern, dass - mit Blick auf die Grünen - innerhalb einer Partei die Korruption um sich greift?

Moser: Wir schließen das nun schon jahrelang aus. Wir sitzen auf regionaler Ebene am sogenannten Futtertrog. In Salzburg, in Oberösterreich. Wir sind die einzigen mit sauberen Händen. Wir sorgen für die Aufklärung der schwarz-blau-orangen und roten Machenschaften, wir arbeiten auch an einem Neubeginn der politischen Kultur: gläserne Parteikassen, transparente Abgeordneteneinkünfte, Verstärkung der Kontrollmöglichkeiten und Anti-Korruptionsmaßnahmen.

derStandard.at: Es gibt vereinzelt auch Vorwürfe gegen Grüne - Beispiel Monika Langthaler.

Moser: Langthaler hat ein Unternehmen und ihr Mann einen Kulturbetrieb. Ich als Partei bin ja nicht haftbar dafür, was Privatpersonen, die einmal früher für mich gearbeitet haben, in ihrem Unternehmen machen. Noch dazu ist das Unternehmen Langthaler in keinster Weise involviert in irgendwelche Machenschaften. Schon gar nicht die grüne Partei. Messen Sie uns daran, wie wir in Bregenz, Salzburg oder Graz mitregieren. Bei uns gibt es halt keinen Lobbyismus.

derStandard.at: Stichwort Inserate. In Wien gibt es jetzt eine grüne Vizebürgermeisterin, die aus den verschiedenen Bezirksblättern lacht. Geht Ihnen das persönlich machmal zu weit?

Moser: Ich kenne als Oberösterreicherin die Wiener Bezirksblätter wenig bis gar nicht. Es ist Aufgabe jeder politischen Kraft ihre Vorhaben oder ihre Leistungen der Öffentlichkeit mitzuteilen. Das geht in Form von klar deklarierten Inseraten, wo dann darunter steht: Vassilakou, Grüne. Der Umfang ist Entscheidung der Grünen in den jeweiligen Gremien.

derStandard.at: Sie würden die Kosten dafür direkt auf die Inserate schreiben?

Moser: Ja, das wäre durchaus eine Möglichkeit. Es war gestern auch ein Vorschlag vom Kollegen Van der Bellen, dass man dazuschreibt, was die Anzeige kostet. Da wäre ich auch froh.

derStandard.at: Haben Sie schon einmal wo inseriert?

Moser: Nein, höchstens eine Wohnungssuche, aber da auch nur im Internet. Das waren höchstens 30 Euro.

(Sebastian Pumberger, Rainer Schüller, derStandard.at, 23.9.2011)