Die Kirschessigfliege breitet sich in Europa rapide aus (Detail eines gefangenen Männchens mit den typischen schwarzen Flecken auf den Flügeln).

Foto: Catherine Baroffio

Es ist der Albtraum eines jeden Obstbauern. Fruchtfliegen, die ihre Eier in heranreifenden Früchten ablegen und deren Larven diese dann genüsslich aushöhlen - zu Abertausenden, vom Frühling bis weit in den Herbst hinein.

Der Name der Plage: Drosophila suzukii, die Kirschessigfliege. Die Schädlinge befallen jedoch nicht nur Kirschen. Ihre Larven sind "polyphag", kaum eine Obstsorte ist sicher vor ihnen. Ursprünglich stammt Drosophila suzukii aus Ostasien. Die Art tauchte 2008 erstmalig in Spanien auf. Italien und der Süden Frankreichs folgten 2009. Im vergangenen Jahr richtete die Kirschessigfliege in diesen drei Ländern mancherorts bereits erhebliche Schäden an. Nun scheint das Problem zu eskalieren.

Die Schweizer Biologin Catherine Baroffio von der Forschungsanstalt Agroscope Changins-Wädenswill (ACW) und ihre Kollegen haben in diesem Sommer in mehreren Kantonen nach Kirschessigfliegen gesucht. Die eidgenössischen Bundesbehörden befürchteten, Drosophila suzukii könne unbemerkt in ihr Territorium eingedrungen sein - zu Recht. Schon im Juli wurde das ACW-Team in einer Tessiner Heidelbeerplantage fündig. Doch dabei blieb es nicht.

"Inzwischen hat sich die Lage ziemlich dramatisch geändert", erklärt Catherine Baroffio gegenüber dem Standard. Von Genf bis nach Graubünden und im Thurgau, überall wird befallenes Obst gemeldet. Seit zwei, drei Wochen vermehren sich die Fliegen explosionsartig, auch in Frankreich und Italien, sagt Baroffio. Im Trentino werden nun sogar Trauben, vor allem Pinot noir, von Drosophila suzukii heimgesucht. Es drohen Verluste bei der Weinlese.

15 Generationen pro Saison

Die nur drei Millimeter große Kirschessigfliege hat eine enorme Vermehrungsrate. Ein einziges Weibchen kann in seinem Leben mehr als 350 Eier legen. Bei günstigen Klimabedingungen dauert die Entwicklung zum geschlechtsreifen Tier mitunter nur zehn Tage. Dementsprechend können Drosophila-suzukii-Populationen in einer Saison bis zu 15 Generationen hervorbringen, Millionenheere also.

Zu den betroffenen Obstsorten gehören nicht nur Kirschen, Heidelbeeren und Trauben, sondern auch Erdbeeren, Brom- und Himbeeren, Ribiseln, Pfirsiche und gelegentlich sogar Äpfel und Tomaten. Kirschessigfliegenweibchen verfügen über einen kräftigen Legeapparat, mit dem sie ihre Eier durch die Schale in das Fruchtfleisch platzieren. "Dieser Ovipositeur ist eine richtige Bohrmaschine", betont Catherine Baroffio. "Die Fliege ist komplett spezialisiert auf gesunde Früchte."

Die Bekämpfung von Drosophila suzukii ist sehr schwierig. Handelsübliche Insektizide wie Organophosphate und Pyrethrine sind zwar wirksam gegen die ausgewachsenen Tiere, doch wenn die Larven erst mal in den Früchten zugange sind, ist es zu spät. Anfliegende Drosophilae suzukii lassen sich in Becherfallen mit Apfelessig und Klebestreifen fangen. Männchen sind durch die dunklen Flecken auf den Flügeln leicht von anderen Drosophila-Arten zu unterscheiden.

Da die Kirschessigfliege bereits kurz vor den Grenzen angetroffen wird, ist ihr Auftreten wohl spätestens im kommenden Jahr auch in Österreich zu erwarten. Eine umfassende Bekämpfungsstrategie liegt noch nicht vor. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. September 2011)