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Deutsche Forscher haben am Beispiel der Ackerschmalwand festgestellt, wie häufig und in welchen Bereichen des Genoms epigenetische Modifikationen auftreten - und wie schnell sie wieder verschwinden.

Foto: APA/EPA/Weber

Tübingen - Deutsche Wissenschafter haben jetzt erstmals eine umfassende Kartierung von erworbenen epigenetischen Veränderungen über mehrere Generationen hinweg durchgeführt. Sie zeigt, dass die Veränderungen oft kurzlebig sind und daher wahrscheinlich nur selten die Evolution beeinflussen. Was die Epigenetik für die Medizin interessant macht, ist die Tatsache, dass derartige Veränderungen von äußeren Faktoren ausgelöst werden können, etwa durch Ernährung oder Eltern-Kind-Bindung.

Der französische Botaniker, Zoologe und einer der ersten Evolutionsbiologen, Jean-Baptiste Lamarck (1744 bis 1829) hätte vermutlich seine Freude - auch wenn das, was hier untersucht wird, im Grunde wenig mit seinen Lehren zu tun hat: Seine Überzeugung, dass Lebewesen erworbene Eigenschaften an ihre Nachkommen weitergeben können, ist dennoch seit kurzem in abgewandelter Form unter Genetikern wieder gesellschaftsfähig: Seit einigen Jahren weiß man, dass Umwelteinflüsse durchaus ihre Spuren hinterlassen und in Form so genannter epigenetischer Veränderungen weiter gegeben werden können.

Häufigere und kurzlebigere Veränderungen

Die erste umfassende Bestandsaufnahme dieser spontan auftretenden Veränderungen in der Steuerung der Nutzung der Informationen des Erbguts legten jetzt Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie unter Detlef Weigel vor. Am Beispiel der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), ein Modellorganismus der Botaniker, bestimmten sie, wie häufig und in welchen Bereichen des Genoms epigenetische Modifikationen auftreten - und wie schnell sie wieder verschwinden. Das Hauptergebnis: epigenetische Veränderungen sind zwar um Größenordnungen häufiger als die klassischen Gen-Mutationen, aber dafür oft kurzlebig.

Das Team konzentrierte sich auf eines der wichtigsten epigenetischen Merkmale, die Methylierung der DNA. Dabei werden winzige chemische Bausteine - Methylgruppen - an einzelne Buchstaben der DNA angeheftet, meist an einen Cytosin-Baustein der Erbsubstanz. Die eigentliche Erbinformation, die Buchstabenfolge der DNA, bleibt dabei unangetastet. Dafür ändert sich aber der Aktivierungsstatus der Erbsubstanz an der jeweiligen Stelle der DNA.

Die Forscher untersuchten zehn Linien von Arabidopsis thaliana-Pflanzen, die alle von demselben direkten Vorfahren abstammten und über 30 Generationen hinweg per Selbstbefruchtung gezogen worden waren. Im Genom der letzten Generation suchten die Wissenschafter dann nach Unterschieden im Methylierungsmuster, die sich im Vergleich zur Ausgangspflanze ergeben hatten.

Das Ergebnis: Zwar war der weitaus größte Teil dieser methylierten Cytosine in allen Pflanzen gleich, aber bei etwa sechs Prozent stießen die Forscher auf Unterschiede: Dort hatte in mindestens einer der Linien eine Veränderung stattgefunden - entweder die Anheftung oder die Abspaltung einer Methylgruppe. Jede Linie wies etwa 30.000 solcher Epimutationen auf. Zum Vergleich: In derselben Zeit hatten sich in keiner Linie mehr als 30 Mutationen in der DNA-Sequenz angehäuft.

Zurück zum Ausgangspunkt

Mit 30.000 Epimutationen, die nach 30 Generationen gefunden wurden, hätten die Genetiker daher etwa 1.000 Epimutationen pro Generation erwartet. Ein Vergleich von Eltern und deren direkten Nachkommen ergab jedoch eine drei- bis viermal höhere Epimutationsrate. Offenbar kehrt also die DNA-Methylierung nach einigen Generationen häufig wieder zum Ausgangszustand zurück - speziell dann, wenn daraus kein erheblicher Überlebensvorteil für die Nachkommen entsteht.

Was die Epigenetik für die Medizin interessant macht, ist die Tatsache, dass manche epigenetischen Veränderungen von äußeren Faktoren ausgelöst werden können. Beim Menschen etwa wird angenommen, dass Einflüsse wie Ernährung oder die Eltern-Kind-Bindung Spuren im Erbgut hinterlassen, die sogar an die Nachkommen weitergegeben werden und deren Gesundheit beeinflussen. (red/APA)