Wiener Neustadt - "Ich war alleine, ich war frustriert, ich habe Anschluss gesucht", sagt der 36-jährige Christian W. Anschluss fand er schließlich unter dem Namen "Mjölnir", wie der Hammer des germanischen Gottes Thor genannt wird - bei jenen, die mit dem Wort "Anschluss" auch etwas ganz anderes positiv assoziieren.

An sich sei er ja "ein unpolitischer Mensch", sagt Christian W. Er habe sich "mit anderen austauschen wollen", denn "Verschwörungstheorien haben mich interessiert. Ich wollt wissen, ob das Hand und Fuß hat."

Dass die Internetseite, auf der er aktiv wurde, nationalsozialistisches Gedankengut verbreite und verherrliche, habe er anfangs "nicht mitbekommen", behauptet der EDV-Angestellte. Und das, obwohl es sich um die nach österreichischem Recht verbotene Neonazi-Seite "Alpen-Donau.info" handelte, auf deren Einstiegsseite etwa gleich Hitlers Rede zum "Anschluss" Österreichs ertönt.

Vor dem Schwurgericht wird schnell deutlich, dass Christian W. keineswegs das Waserl war, als das er sich nun hinstellt. So glorifizierte er etwa auf der "Alpen-Donau"-Homepage Adolf Hitler mit einem Julius-Streicher-Zitat - "Der Führer ist nicht tot..."

Gleichzeitig war er in einem einschlägigen Forum aktiv, das sich "thiazi" nennt - allein sein Besucherbild, das er sich ausgewählt hatte, ließ keine Frage offen: eine Wehrmachtspistole P38, dazu Reichsadler, Hakenkreuz und den Wehrmachtsspruch "Gott mit uns".

Im Rahmen dieses "Austausches" mit anderen verfasste Christian W. sechs Jahre lang insgesamt mehr als 2900 Postings. Unter anderem mit Beiträgen wie "Der Jude an sich ist eine Krankheit, welche jeden gesunden Volkskörper infiziert. Du kannst es querbeet durch die Geschichte verfolgen, was dieses Virus innerhalb der letzten 2000 Jahre angerichtet hat ..." Und als er sich imSeptember 2010 schließlich vom Forum verabschiedete, tat er dies mit "einem dreifachen Sieg Heil!". Das war kurz vor der Hausdurchsuchung, bei der auf seinem PC dann noch weiteres belastendes Material gefunden wurde.

Aber auch im realen Leben hatte Christian W. in einem Wiener Neustädter Lokal jemanden beim Bier kennengelernt, mit dem er "eine gute Gesprächsbasis" hatte und der ihn nach Wien zu Treffen mitnahm, die ihm "Zusammenhalt und Gemütlichkeit" boten.

Dieser Bekannte ist allerdings eine zentrale Figur in der österreichischen Neonazi-Szene: Gottfried Küssel. Und die gemütlichen Treffen - das war die "Wiener Akademische Ferialverbindung Reich". Er sei dort ja nur Gast und kein Mitglied gewesen, lautet die Verteidigung Christian W.s. In die "Ferialverbindung Reich" würde sicher nur Küssels engster Vertrautenkreis hineinkommen, hält dem die Staatsanwältin entgegen.

Vor Gericht ist Christian W. voll geständig und bekennt sich zu den Anklagepunkten der mehrfachen Wiederbetätigung und Verhetzung voll schuldig.

"Wider meine Natur"

"Wie ich drüber nachdachte, hab ich mir gedacht, was ich für ein Trottel bin", sagt der Angeklagte nun. Der Nationalsozialismus sei "das Dunkelste und Schlimmste" gewesen, beteuert er heute. Und er verspricht: "Ich möchte mich von dem ganzen rechten Zeug distanzieren - weil's mein Leben zerstört hat und ich wider meine Natur gehandelt hab."

Das Urteil des Schwurgerichtes lautet schließlich: 20 Monate Freiheitsstrafe, davon fünf unbedingt. Christian W. nimmt das Urteil sofort an - die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, es ist nicht rechtskräftig.

Mildernd sei das volle Geständnis und der bisher untadelige Lebenswandel gewesen, erläutert die vorsitzende Richterin, Gerichtspräsidentin Ingeborg Kristen. Erschwerend sei aber der lange Tatzeitraum von sechs Jahren, die große Zahl an Postings und die Verbindung zu Gottfried Küssel gewesen. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Printausgabe, 21.9.2011)