Ein Salzburger Transportunternehmer sitzt seit 19. August in Bulgarien in Haft: Er soll in die Türkei ausgeliefert werden, obwohl Österreich seine Abschiebung in die Türkei für unzulässig erklärt hatte. Der Fall lässt bei Menschenrechts-NGOs die Alarmglocken schrillen, auch das Außenministerium wurde bereits aktiv.

Ramazan G., der seit elf Jahren in Salzburg lebt, floh als 19-jähriger Wehrdienstverweigerer mit kurdischem Hintergrund aus der Türkei nach Österreich. Im Jahr 2007 bekam er in zweiter Instanz Asyl zugesprochen. Sollte er in die Türkei abgeschoben werden, drohe G. „eine erhebliche Gefährdung, Misshandlung oder Folter ausgesetzt zu sein", stellte der Unabhängige Bundesasylsenat (UBAS) fest.

Doch genau dies droht G. nun zu widerfahren: In Bulgarien, wo er seinen Urlaub verbringen wollte, wurde er kurz nach seiner Ankunft am Flughafen Sofia festgenommen. Der Grund: Gegen ihn liege ein Haftbefehl der Türkei wegen Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation, konkret der kurdischen Untergrundorganisation PKK, vor. Seit einem Monat befindet sich G. nun im Gefängnis der bulgarisch-rumänischen Grenzstadt Varna in Untersuchungshaft. Am 30. September soll er einem Berufungsgericht vorgeführt werden.

Vorgehen "stinkt gewaltig"

Das Vorgehen "stinkt gewaltig", sagt Amnesty International Österreich-Sprecher Heinz Patzelt - grob rechtswidrig sei es dennoch nicht. "Leider", wie Patzelt meint: "Es gibt in den meisten Rechtsordnungen keine Bestimmung, die eine Abschiebung trotz aufrechten Asylbescheids keinesfalls zulässt" - Ausnahmebestimmungen gebe es etwa beim Verdacht auf schwere Straftaten. Dass Österreich G.s Ausweisung in die Türkei für unzulässig erklärt, sollte die bulgarischen Behörden zwar aufhorchen lassen, sie seien daran aber nicht strikt gebunden, wenn sie die Auslieferung wegen eines schweren Strafdelikts für geboten sehen.

"Meinung" eines Staates

KritikerInnen wenden ein, dass jener Haftbefehl, auf dessen Basis G. nun festgehalten wird, bereits im Jahr 2004 von einem niederländischen Gericht geprüft worden ist: Im Jahr 2004 musste sich G. wegen dem Vorwurf, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung zu sein, bereits verantworten - und wurde freigesprochen.  Doch auch dieses Urteil sei lediglich als "Meinung eines Staates" zu betrachten, sagt Patzelt: "Jeder Staat ist souverän und hat das Recht auf seine eigene, hoffentlich menschenrechtskonforme, Meinung." Theoretisch könne G. also aufgrund eines einzigen Haftbefehls in zwanzig verschiedenen Staaten zwanzig Mal verfolgt werden. "Das ist höchst absurd und menschenrechtlich hochbedenklich, aber leider nicht zu ändern", sagt Patzelt.

Misshandlung droht

G. lebt seit 2001 in Österreich. Sein Asylantrag wurde in erster Instanz abgelehnt, die zweite Instanz gab ihm jedoch Recht: Als Angehöriger der kurdischen Minderheit sei er besonders stark gefährdet, während seiner Inhaftierung Folter und Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Laut Salzburger Bekannten ist G. kein Mitglied der PKK, er habe sich lediglich aus dem österreichischen Exil für kurdische Belange stark gemacht, heißt es. Auch das niederländische Gericht gelangte zu dieser Ansicht. 

In der Türkei wird G. nicht nur wegen Verbindungen zum Terrorismus, sondern auch wegen Fahnenflucht gesucht.

G.s Rechtsvertreterin in Salzburg, Veronika Sengmüller, ist indessen auf der Suche nach einem Vertrauensanwalt in Bulgarien. Zurzeit wird G. von einem Pflichtverteidiger vertreten. Sengmüller hat das Außenministerium, das UNHCR und die österreichische Botschaft in Sofia kontaktiert. Das Außenministerium habe „wiederholt die bulgarischen Behörden über seinen Status als Konventionsflüchtling informiert", sagt dessen Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal zu derStandard.at. In der Vergangenheit sei dies ausreichend gewesen: "Wenn sie die Nachricht bekommen haben, dass jemand den Asylschutz genießt, ist eine Auslieferung bisher nicht erfolgt." Der Botschafter in Sofia werde den Gang des Verfahrens weiter „unter Beobachtung halten", so Launsky-Tieffenthal.

"Ich würde mir erwarten, dass man mehr tut", sagt Anwältin Sengmüller, die im Fall einer Auslieferung Schlimmes befürchtet. Die türkische Rechtssprechung sei "unglaublich streng", so Sengmüller. "Es reicht, dass man jemandem von einer prokurdischen Demonstration erzählt -und man wird schon als Teil der PKK betrachtet." Die mögliche Folge: 15 Jahre Haft. Eine Stellungnahme der bulgarischen Botschaft in Wien blieb bis Redaktionsschluss aus.  (Maria Sterkl, derStandard.at, 21.9.2011)