Das Lied wurde vorige Woche in der ORF-Show "Die große Chance" ausgestrahlt.

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Wien - Kein rechtliches Nachspiel aus ORF-Sicht hat die peinliche Panne bei der jüngsten Ausgabe der Unterhaltungsshow "Die große Chance". Ein Kandidat hatte dort am Freitagabend auf einer Mundharmonika ein "altes Volkslied" gespielt, das frappierende Ähnlichkeiten mit dem Horst-Wessel-Lied, einst Kampflied und Parteihymne der Nationalsozialisten, hatte. Nach erbosten Anrufen von Sehern bedauerte der ORF den redaktionellen Fehler und ließ rechtliche Schritte prüfen.

Ähnlichkeit nicht bewusst

Ergebnis: "Nach sorgfältiger Prüfung des gesamten Sachverhaltes und der entsprechenden Rechtslage wird der ORF in dieser Angelegenheit keine rechtlichen Schritte setzen. Der Kandidat selbst hat glaubhaft erklärt, dass er mit seiner Darbietung keinerlei Bezug zum Horst-Wessel-Lied herstellen wollte und ihm die Ähnlichkeit auch nicht bewusst war. Er bedauert die Ähnlichkeit und die daraus entstandene öffentliche Diskussion", teilte der ORF am Dienstag mit.

Für die seitens des ORF verantwortlichen Redakteure gelte gleichfalls, dass der mögliche Bezug zum indizierten Musikstück bis zur Ausstrahlung nicht bekannt beziehungsweise bewusst war. "Der Tatbestand im Sinne des Verbotsgesetzes würde nur dann vorliegen, wenn der Text beziehungsweise Text-Elemente des Horst-Wessel-Liedes transportiert worden wären und die Tat mit Vorsatz verwirklicht worden wäre. Beides ist nicht der Fall", stellte der ORF klar.

ORF bedauert Fehler

Der ORF werde somit keine rechtlichen Schritte einleiten. "Das ändert aber nichts daran, dass der ORF den besagten Auftritt sehr bedauert und dass das Lied - auch wenn es 'nur' Ähnlichkeiten mit dem Horst-Wessel-Lied aufweist - keinen Eingang in die Sendung hätte finden dürfen. Der ORF steht dazu, dass hier ein redaktioneller Fehler passiert ist und entschuldigt sich dafür."

Ab sofort würden Maßnahmen gesetzt, die einen noch bedachtsameren und sensibleren Umgang mit Darbietungen, die in ORF-Programmen gezeigt werden, gewährleisten sollen, hieß es weiter. So werde das bereits aufgezeichnete Material von "Die große Chance" einem neuerlichen zusätzlichen Screening unterzogen, um jede Unsicherheit bezüglich der Sendungsinhalte ausschließen zu können. Für zukünftige Aufzeichnungstermine und Produktionen werde zu den bestehenden Standards durch zusätzliche historische Recherchen eine weitere Sicherheitsmaßnahme eingezogen, die jegliches Risiko, dass problematisches Material unentdeckt bleibt, ausschließen soll, so der ORF.

"Sicher keine Wiederbetätigung"

Auch für Anwalt Alfred Noll war das ausgestrahlte Lied "sicher keine Wiederbetätigung". Um diesen Tatbestand zu erfüllen, hätte es einen für den Nationalsozialismus werbenden Kontext gebraucht, der etwa mit dem Originaltext des Horst-Wessel-Lieds hergestellt werden hätte können, so der Jurist. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Show jedoch um eine Aufzeichnung gehandelt habe, bei der die zuständige Redaktion rechtzeitig eingreifen hätte können, halte er die Ausstrahlung des umstrittenen Lieds allerdings für eine Geschmacklosigkeit und eine Verantwortungslosigkeit, so Noll. (APA)