Heimische Mieter mit so genannten Kategoriemietverträgen müssen sich in diesen Wochen wieder auf eine Mieterhöhung einstellen. Diese wird rund 5,5 Prozent ausmachen und betrifft Mietverträge, die vor dem 1. März 1994 geschlossen wurden. Die Maßnahme ist eine gesetzlich vorgeschriebene Anpassung an die Inflationsrate.

125.000 Gemeindewohnungen betroffen

Laut dem Präsidenten der Mietervereinigung Österreich (MVÖ), Georg Niedermühlbichler, sind in ganz Österreich rund 300.000 Mietverträge davon betroffen, allein 220.000 in Wien. Davon wiederum sind 125.000 Gemeindewohnungen, wie der Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ), Christian Kaufmann, auf Anfrage von derStandard.at präzisierte. Bei Letzteren wird die Erhöhung erst am 1. Oktober schlagend. Für eine 100 Quadratmeter große Wohnung der Kategorie A werden künftig statt bisher 308 Euro nun 325 Euro Miete zu zahlen sein, also um 17 Euro mehr pro Monat.

Von der Erhöhung nicht betroffen sind die 350.000 Mietverträge nach dem Richtwert-System, das per 1. März 1994 eingeführt wurde und für nach diesem Zeitpunkt abgeschlossene Mietverträge in Altbauten (vor 1945 errichtet) gilt. Hier wird es allerdings per Anfang April 2012 ebenfalls zu einer Erhöhung kommen, damit auch für fast alle weiteren 95.000 Wiener Gemeindebauwohnungen.

Saftige Richtwertmieten-Erhöhung droht

Um die Inflationsanpassung der Richtwertmieten gab es in den vergangenen Jahren politische Scharmützel. Im März 2008 war das System zunächst von der damaligen Justizministerin Maria Berger (SPÖ) abgeändert worden. Weil bis dahin als Messlatte für die - damals noch jährliche - Anhebung der Mieten stets die Inflationsrate vom Dezember des Vorjahres herangenommen wurde, wäre 2008 eine saftige Erhöhung um 3,6 Prozent nötig gewesen. Um dies abzufedern, initiierte Berger das so genannte "Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz" (abgekürzt "MILG"), das fortan die günstigere durchschnittliche Jahresinflationsrate zur VPI-Anpassung heranziehen sollte.

Im Frühjahr 2009 änderte sich die Situation allerdings, weil wegen des Einsetzens der Wirtschaftskrise der VPI vom Dezember 2008 mit 1,3 Prozent plötzlich wieder niedriger war als der Jahresdurchschnitt (3,2 Prozent). Bergers Nachfolgerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) hatte daraufhin den neuen Erhöhungszeitpunkt kurzerhand um ein Jahr verschieben lassen, den Maßstab der Durchschnittsmiete aber beibehalten. Erst im April 2010 stiegen die Richtwertmieten somit um 3,7 Prozent an, was sich aus den Jahresdurchschnittswerten für 2008 (3,2 Prozent) und 2009 (0,5 Prozent) ergab (siehe dazu Bundesgesetzblatt vom März 2010). Mit der Wohnrechtsnovelle 2009 war außerdem vereinbart worden, dass die Richtwerte künftig nur noch alle zwei Jahre erhöht werden sollen – dann allerdings um die kumulierte durchschnittliche Inflationsrate der beiden vergangenen Jahre.

Wie hoch die Richtwertmieten-Erhöhung im April 2012 nun ausfallen wird, ist noch nicht fix. Es wird aber ebenfalls eine saftige Steigerung werden: Der VPI-Durchschnittswert für 2010 betrug zwar "nur" 1,9 Prozent, jener für 2011 dürfte aber deutlich über drei Prozent zu liegen kommen.

Große Unterschiede nach Bundesländern

Die Richtwerte sind je nach Bundesland verschieden. In Wien beträgt der bloße Richtwert derzeit 4,91 Euro pro Quadratmeter, in Vorarlberg 7,53 Euro. Die tatsächlichen Mieten liegen aber noch weit darüber, denn zum bloßen Richtwert können noch Zuschläge für Lage oder Ausstattungsmerkmale hinzugerechnet werden, außerdem kommen noch die Betriebskosten und die 10-prozentige Umsatzsteuer dazu.

Das Richtwertmietsystem wird seit Langem von der Arbeiterkammer als völlig unzureichend kritisiert, etwa weil der Vermieter nicht verpflichtet ist, die Zuschläge im Mietvertrag anzuführen, und weil diese de facto nach oben hin nicht begrenzt sind.

AK fordert neuerliche Aussetzung der Erhöhung

Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Wiener Arbeiterkammer, fordert die Abkehr von der automatischen Anpassung an die volle Inflationsrate, stattdessen sollten die Richtwerte "alle fünf Jahre um die halbe Inflationsrate erhöht werden". Die Altbauten, für die das Richtwertsystem gelte, seien nämlich großteils mehr als 70 Jahre alt und "ihre Errichtung deshalb längst refinanziert", erklärt Rosifka im Gespräch mit derStandard.at.

"Von der hohen Inflation profitieren die Hausherren, ohne etwas zu leisten", kritisiert auch AK-Präsident Herbert Tumpel in einer Aussendung. "Das Mietrechtsgesetz muss so schnell wie möglich geändert werden." Und eine weitere Forderung der AK hat koalitionären Sprengstoff in sich: "Keine Erhöhung der Richtwertmieten im Frühjahr 2012."

FPÖ kritisiert "unverschämte Preistreiberei"

Der Wiener FP-Abgeordnete und Zweite Landtagspräsident Johann Herzog kritisiert in einer Aussendung eine "unverschämte Preistreiberei" in der Bundeshauptstadt und fordert Wohnbaustadtrat Ludwig auf, die Mieten-Erhöhung mit 1. Oktober in den Wiener Gemeindebauten nicht umzusetzen. (map, derStandard.at, 20.9.2011)