Rafael Just

Schuhe, sagt. A. Die Runde nickt. Stimmt, Schuhe sind der kleinste gemeinsame Nenner. Einer, der mit grauen Slippern daherkommt, kann sonst sein, tragen, sagen oder machen was er will: Der kann gleich wieder gehen. Oder Espandrillos. Oder Birkenstockschlapfen. Oder, trumpft D. auf, Filzpantoffeln. Präfix: Diese grässlichen. D. kann nicht ohne Präfix. Diese grässlichen Filzpantoffeln. Neulich, legt D. los, sei sie bei einem tollen Typen aufgewacht. Toller Abend, toller Körper, tolle Nacht. Aber als er Kaffee machen ging, fummelte er diese grässlichen Filzpantoffeln hervor. Sie sei geflüchtet.

Foto: Maria Ziegelböck

Möglich, dass sie ein tolles Frühstück und einen tollen Mann versäumt hat - aber einer, der in der Früh diese grässlichen Filzpantoffeln anzieht, habe, man verzeihe, ausgeschissen. Meint D. Und so einer habe sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen abgeschleppt. D. hatte geglaubt, der Typ habe Stil. Das habe ihn sexy gemacht. Verdammt sexy. D. seufzt. Die Damenrunde auf dem Sofa seufzt mit. Ist glücklich empört. Und tobt hochzufrieden: eine Zumutung. Aber Männern sei so was ja so was von egal. Nur: Wehe, eine von ihnen käme auf die Idee, dem frischen Fang im Fernsehschlabbersweatshirt entgegenzutreten.

Foto: Maria Ziegelböck

Günther Parth

Männer - anwesende eingeschlossen - , sagt A. und wirft mit einem Polster nach mir, heterosexuelle Männer hätten keine Ahnung, wie sie sich herrichten müssen, um gut auszusehen. Keinen blassen Schimmer. Noch schlimmer sei nur, assistiert D. (und wirft solidarisch einen zweiten Polster), wenn ein Mann bewusst versuche, "scharf" auszusehen. Wut- und Schmerzgeheul auf dem Sofa: Das sei kläglich, lachhaft, schrecklich, peinlich, affig, armselig - bestenfalls und fast immer.

Foto: Maria Ziegelböck

M. sucht nach einem Polster (findet aber keinen) und schlägt die Hände vors Gesicht: Es tue weh, wenn da einer, der in T-Shirt und Jeans einen guten Arsch zum guten Schmäh trage, plötzlich im Zweireiher daherkomme. Weil ihm irgendein Freund/Magazin/Film/ZZ-Top-Song gesagt habe, dass Männer in Anzügen besser wirken. Nein, seufzt M., zum Lachen sei das nicht: Da will frau ein sexy Exemplar Mann vorführen - und verendet mit einem, der sich so wohl fühlt, wie bei einer Nachprüfung. Nein, beteuert M., sie habe nichts gegen Anzüge. Ganz im Gegenteil (Betonung auf jedem Wort): Der richtige Anzug gebe fast jedem Mann einen Kick, der sie umhauen könne. Genauso wie die richtigen Jeans fast jedem Kerl ein verwegen-cooles und begehrenswertes Aussehen geben könne. Und manche - wenige - Männer kämen sogar in Barbour-Jacken sexy rüber.

Foto: Maria Ziegelböck

Udo Titz

Das Dilemma, so M., sei halt, dass es keine verbindlichen Kriterien für das Adjektiv "richtig" gebe. Und dann gäbe es auch noch individuelle Geschmäcker. A., die Hilfreiche, will es andersrum versuchen. Per Ausschließungsgrund. So wie bei den Schuhen: Zieh einmal einen Matulablouson und eine Bundfaltenhose an, und ich bin Geschichte, droht A. - und erntet Freundinnen-Applaus. Und zwar von genau den Damen, die eine halbe Stunde zuvor zur Frage nach den Sexy-Kerl-Kriterien noch Begriffe wie selbstbewußt-selbstironischer Humor, nicht-elmayerhaft-manirierte-Höflichkeit-mit-resepketvoll-ruppigem-Touch oder chmelarwuchtelzwangfreier-Charme strapaziert hatten. Von Frauen, die geschworen hatten, das, was einen Mann sexy mache, ließe sich unmöglich über Äußerlichkeiten, Styling oder Figur definieren.

Foto: Maria Ziegelböck

Weil Frauen - natürlich im Gegensatz zu Männern - keine primitiven Tiere seien, die beim bloßen Anblick irgendwelcher Körperteile oder beim Geruch von frischem Schweiß bereits hin und weg wären. Weil Frauen - im Gegensatz zu Männern - nämlich Niveau hätten. Meistens halt. Aber zurück zur Matula-Kiste (für Nicht-"Fall-für-Zwei"-Traumatisierte: TV-Privatdetektiv. Ausschaltimpuls.) Die bedinge eine Gegenfrage. An mich. Als Vertreter der Gattung: Wieso, bohrt M., glauben gerade Herrenhandtaschen-Panzerkettenarmband-aufgestreckte-Kunstlederjackentypen, dass sie der Inbegriff dessen sind, worauf frau wartet? Wie komme es, dass der Sinn für das Erkennen denkmöglicher Pärchenbildungsmuster bei Männern dermaßen schlecht ausgebildet ist? Und ich möge bloß nicht versuchen, mich mit Verweisen auf Anna Nicole Smith zu retten: Auch auf diesem, meinem Sofa wundere man sich immer wieder, welche heimische Wirtschaftswampe da mit welcher vorgeblich geschmackssicheren Frau herumziehe.

Foto: Maria Ziegelböck

Jork Welsmann

Aber, D. war das jetzt ein bisserl peinlich: Es wäre halt eine Lüge zu behaupten, dass Geld, Macht und Einfluss nicht doch ein bisserl sexy machten. Ein kleines bisserl. Das gelte nur für andere Frauen. Und außerdem, belehrt mich K., ohne dass ich gefragt hätte, wären doch gerade die obigen Typen der Beweis, dass ein gepflegter, intelligenter und unterhaltsamer Mann auch ohne durchtrainierten Körper punkten könne. Und Tarzan weiter alleine mit der Liane spielen darf. Und ich möge jetzt sofort aufhören, "ätsch-erwischt"-mäßig zu grinsen, ihr den Polster zurückgeben (beim nächsten Mal würde sie treffen) und den Müll runter tragen. Oder sonst was Männliches tun. Aber nicht deppert Frauengespräche stören.

Foto: Maria Ziegelböck

Schließlich geht es um Matula-Typen. Das Problem, so D., sei weniger "Matula" als "Typ": Ihr wisst nicht, was euch steht. Keiner von euch. Ich möge an Alois Mock in Shorts denken. Keine Frau, so D. weiter, die durch die Hölle der Modemagazinsozialisation gegangen sei, würde je auf die Idee kommen, sich so nicht-zum-eigenen-Typ passend gewandet in der Öffentlichkeit zu zeigen. Sogar militante Feministinnen der Dohnal-Generation wüssten, warum sie sich entsetzlich anzögen: Anti-Sexy-Styling bedinge das Wissen um das, was man nicht wolle.

Foto: Maria Ziegelböck

Gerhard Heller

Männer dagegen, gab D. mir den Rest, hätten eben keine Ahnung: Männer würden lange in den Kasten, aber zu kurz - oder zu unkritisch - in den Spiegel schauen. Der Beweis sei die Straße: schlecht sitzende Hosen, unmögliche Anzüge, schreckliche Hemden, unfassbare Krawatten, niederschmetternde Pullover, weiße Socken, abgetretene Absätze, nicht zueinander passende Accessoirs, lächerliche Mäntel, klägliche Turnschuhe, schmerzende Taschen - und das alles in verheerenden Kombinationen auch noch an Männern befestigt, die mit einem nur um Nuancen veränderten Outfit vielleicht gut, elegant oder zumindest interessant wirken könnten. Wie viele Italiener. Oder manche Franzosen. Das habe nichts mit "sexy" zu tun.

Foto: Maria Ziegelböck

Aber das Ego des Matula-Mannes sei schon geknickt, wenn eine Stefanie Werger vom Charme italienischer Männer träume. Die Runde erschauerte - und gab D. recht. Manchmal, meinte A., wundere sie sich, wie es Detlef Durchschnitt zu einem Date brächte. M. wunderte sich nicht: der Mangel an akzeptablen Exemplaren. Ein Teufelskreis. Denn, wenn man sogar als Matula-Männchen ein klasse Weibchen fände, gäbe es kaum Gründe, sich anzustrengen - und statt nach Italien fahre man im Urlaub an Matula- strände. Mallorca. Thailand. Podersdorf.

Foto: Maria Ziegelböck

Bernd Preiml

M. seufzte. Schuld an der Misere, meinte sie, wären auch die Frauen selbst. Die Mütter. Das begänne im Kindergarten. M. hat dort zwei Kinder: Mädchen sähen überlegt angezogen aus. Buben so, als habe man sie im Humana-Container eingekleidet. Dabei käme es doch weniger auf das "Was" als das "Wie" an. Schon beim Einkauf: Ihre Freundin, erzählte M., ginge für die eigene Tochter alle paar Monate ein paar nette Teile kaufen. Für den Sohn gäbe es zweimal im Jahr einen Stapel T-Shirts. Das Budget, so M., sei ungefähr gleich. Das Resultat nicht. Unter den Folgen würde ihre Tochter in ein paar Jahren leiden. Darüber, ob sie ihrem Sohn, den sie mit großer Aufmerksamkeit einkleide, etwas Gutes tue, sei sie sich aber nicht sicher: Kürzlich habe eine andere Mutter gefragt, ob M. nicht fürchte, der Knabe könne schwul werden. Weil er immer so herausgeputzt sei.

Foto: Maria Ziegelböck

Fotos: Maria Ziegelböck; Kontakt: mz@re-p.at
Assistenz: Jürgen Bretterbauer
Styling: Susi Schneider
Produktion: Simon Frearson bei Conny Schmeller

Outfits:
Rafael Just in einem Sakko von Gucci (Braun & Co, Wien 1, Graben 8)
Schmuck privat
Günther Parth in einem Smoking von Gaggl und Schuhen von Trickers (London)
Udo Titz in einem Anzug von Raymond's Executive (Nairobi);
Jork Weismann in einem Anzug von Ossie Clark (London) und Hemd von Martin Margiela (Song, Wien 1, Bauernmarkt / Landskrongasse 2;
Gerhard Heller in einem Maßanzug und Hemd von Theodor Repototschnig;
Bernd Preiml in einem Anzug von Martin Margiela (DER STANDARD/rondo/30/05/03)

Foto: Maria Ziegelböck