Wien - Ein Schock, als die Bombe auf der Bühne explodiert. Heißer Wind fegt ins Auditorium. Eine Stichflamme verpufft. Im Video brennt und rumort es. Gini Müllers Stück Who shot the Princess? Boxstop Telenovelas ist zurück auf der Künstlerhausbühne des Wiener Brut Theaters. Eine frühere Version war dort bereits im Vorjahr zu sehen.

Protagonistin in dem als größeres Projekt angelegten und jetzt mit einem Symposium über Melodrama und Rebellion angereicherten künstlerischen Recherche-Unternehmen ist immer noch der einstige mexikanische Telenovela-Kinderstar Flor Edwarda Gurrola. Die Soap Opera, lateinamerikanisch: Telenovela, strotzt vor Klischees, ist schauspielerisch immer absolute Grotte und doch längst Teil des Lebens weiter Bevölkerungskreise.

Die Bombe, die - wie Gurrola im Stück erzählt - am Filmset bei Arbeiten zum Finale einer Telenovela explodierte, hat ihr Leben verändert. Ob das nun wahr ist oder nicht, spielt keine Rolle. Wichtiger ist vielmehr, dass Who shot the Princess als Performance eine ironische Pathosmaschine repräsentiert, in der zweierlei Typen von Emotionsschleudern miteinander gekoppelt werden: die der Unterhaltungsindustrie und die der Revolution. Das Ganze wird kräftig mit Genderdiskursen geschmiert.

Das Set ist so einfach wie effektiv. Drei mobile Videoscreens und eine Projektionstechnik, in der die Live-Performer wie Gespenster hinter den halb durchsichtigen Leinwänden sichtbar werden. So können sie in den Videos mitspielen. Gurrola führt als Moderatorin durch den Abend, erzählt aus ihrem Leben als Kinderstar und tritt in erfundenen Telenovelas auf.

Mainstreaming Jelinek

Etwa in La Infanta, für die Elfriede Jelineks Stimme eingespielt wird. Als Grundlage dienen Jelinks Prinzessinendramen. Dort werden Texte zu Figuren und - über die Begegnung zwischen Tod und Mädchen - Geschlechterstereotypen bloßgestellt.

Gini Müller feiert das Melodram und darin Tod plus "Revolución". "Mainstreaming Jelinek", kommentiert Gurrola neckisch. In den Straßen von Mexiko City wird sie zu Charlotte von Belgien, Ehefrau Maximilians I. und Kaiserin von Mexiko. Maximilian, der jüngere Bruder von Franz Josef I., wurde 1867 auf Befehl von Benito Juárez erschossen. Bei Müller fährt Carlota, die "Witwe der Herzen", im Taxi mit ihrem Massimiliano, und Frida Kahlo taucht auf - als "super queer artist".

Die Queerness selbst tritt im auf die Bühne gebauten "Gender-Bender-Land" in Erscheinung: vertreten durch Anspielungen, Verweise, konkrete Zeichen und Figuren.

Noch vor der pyrotechnisch gut kalkulierten Bombenexplosion übernimmt sie die Szene. Sie steigert sich in ihre Klischees. Und konsequent kopiert diese Queerness die Telenovela, wird selbst zur Soap. Die Prinzessin verliebt sich in einen Comandante, der eigentlich eine Frau ist, es kommt zum gemeinsamen Heldinnentod. Und am Ende zu einem Ritt in die untergehende Sonne.

"Gender politics can't be serious", hat es zuvor noch an einer Taco-Bude geheißen, vor der eine kleine Show improvisiert wird. "Viva la Revolución" und "viva la commedia" wird zum Schluss gejubelt. Who shot the Princess? Boxstop Telenovelas gibt sich ganz und gar politisch in seinen Ambitionen und bleibt restlos unpolitisch in der Wahl der künstlerischen Mittel. Was dann doch ein bisschen schade ist. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Printausgabe, 19.9.2011)