Alexander Zembsch ist Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und ärztlicher Leiter des Gelenkzentrums Wien-Hietzing . Als Leiter des Hüftschwerpunkts arbeitet er auch am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien.

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Hüftoperation ist nicht Hüftoperation: Auf den chirurgischen Zugang kommt es an, sagt der Orthopäde Alexander Zembsch. Welche Vorteile die Amis-Methode hat, erklärte er Karin Pollack.

Standard: Das Einsetzen einer Hüftendoprothese ist heute ein Routine-Eingriff. Sie empfehlen Patienten, sich auch für die Operationsmethode zu interessieren. Warum?

Zembsch: Grundsätzlich wird heute ja immer minimal-invasiv operiert, und damit wird auch Werbung gemacht. Es gibt dabei aber mehr oder weniger schonende Methoden, was Muskeln und Nervengewebe betrifft. Ich operiere seit 2008 nach der sogenannten Amis-Methode und sehe jedes Mal, um wie viel schneller Patienten wieder fit sind. Ich denke, dass sollten alle, die vor so einer Operation stehen, wissen.

Standard: Warum ist das so?

Zembsch: Es gibt viele Wege, wie Chirurgen das Hüftgelenk freilegen. Meistens wird es seitlich gemacht. Aus anatomischen Gründen muss man da durch Muskelgruppen durch. Schneiden und Quetschen von Muskelfasern ist dabei unvermeidbar, auch Nerven werden verletzt. Das heilt dann zwar wieder zusammen, doch bleibt das Risiko einer Beeinträchtigung. Der Muskel wird durch die Narben schwächer. Das lässt sich durch den chirurgischen Zugang von vorn vermeiden.

Standard: Warum machen das dann nicht alle so?

Zembsch: Weil die Methode rein operationstechnisch aufwändig ist. Ich arbeite dabei mit einem speziell ausziehbaren Tisch, der diesen Zugang möglich macht. Zudem ist das Erlernen dieser Methode sehr anspruchsvoll und benötigt viel Zeit. Auch ich habe alle herkömmlichen Methoden gelernt und kenne deshalb beides. Nicht alle Kollegen haben die Möglichkeit, sich für innovative Operationsmethoden außerhalb der Routine zu engagieren.

Standard: Vielleicht gibt es auch zu wenige Daten zu Amis?

Zembsch: Doch, es gibt gute wissenschaftliche Daten zum Beispiel aus der Schweiz und Frankreich. Auch in Gmunden, Klagenfurt und Lienz gibt es Kollegen, die Amis machen. Es dauert eben, bis sich eine neue Methode durchsetzt. Selbst dann, wenn sie sogar Vorteile für den Kostenträger bringt.

Standard: Ist die Amis-Methode aber nicht gerade bei jüngeren, sportlichen Patienten, die ohnehin aktiv und mobil sind, erfolgreich?

Zembsch: Die Genesung ist für alle Patienten schneller. Sie können früher aus dem Spital, können schneller wieder ohne Krücken gehen und zurück in ihren Alltag. Der Grund: Die Muskeln sind nicht verletzt. Das ist aber gerade für ältere Patienten noch viel wichtiger. Die Muskeln sichern die Standfestigkeit, und das vermindert die Sturzgefahr. Je stärker die Muskeln, umso stabiler das Becken, umso weniger leicht fallen sie. Auch bei Übergewichtigen hat Amis Vorteile, weil Fettgewebe durch die Schwerkraft wegrutscht und damit die Arbeit für den Chirurgen erleichtert wird.

Standard: Wie argumentieren Ihre Kritiker?

Zembsch: Sie behaupten, die Resultate seien bei beiden Methoden gleich und zweifeln an möglichen Messmethoden, mit denen Unterschiede festgestellt werden.

Standard: Für wen ist die Amis-Methode nicht geeignet?

Zembsch: Wenn die Hüfte bereits seitlich operiert wurde, sollte man bei einem erneuten Eingriff dabei bleiben. Auch bei schweren Hüftfehlstellungen und hohen Hüftluxationen kann die Amis-Methode aus anatomischen Gründen nicht geeignet sein. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 19.09.2011)