Klage gegen Datenschützer Hans Zeger, der hier gerade die Gesichtserkennung des Parlaments testet - gefilmt vom ORF

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Wien - Die österreichische Volkszählung 2011 steht vor ihrem Abschluss, bis 31. Oktober muss alles unter Dach und Fach sein. Aber Normalbürger oder -bürgerinnen bekommen davon rein gar nichts mit: Die aktuelle Ösi-Bestandserhebung findet ohne an Türen klopfende Volkszähler oder zugesandte Fragebögen statt.

Statt dessen basiert die erste österreichische Registerzählung - wie schon ihr Name verrät - auf der Auswertung bestehender Verwaltungsregister: auf Melde-, Sozialversicherungs-, Steuer-, Schul-, und Fremdendateien zum Beispiel.

Auf Knopfdruck

Sie alle wurden in den vergangenen Jahren technisch vereinheitlicht, sodass sie jetzt auf Knopfdruck zu Zählzwecken herangezogen und verknüpft werden können. Die ersten statistischen Auswertungen soll es im Juni 2012 geben.

Doch so unauffällig das auch vor sich geht: Im Hintergrund schwelt ein Streit zwischen Statistikern und Datenschützern um die technisch ausfeilte Köpfezählerei. Dieser hat jetzt eine Klage zufolge: Am 2. September wurde dem Obmann der Gesellschaft für Datenschutz Arge Daten, Hans Zeger, ein Schreiben des Handelsgerichts Wien zugestellt: Die Statistik Austria, vertreten durch den auch als ORF-Rechtsvertreter bekannten Anwalt Gottfried Korn, klagt Zeger wegen Kreditschädigung laut Paragraf 1330 ABGB.

"Generalinventur"

Grund dafür: Zeger hat im ORF-ZiB 2-Interview am 12. Mai 2011 die Volkszählung als "Generalinventur" bezeichnet, die es "zuletzt unter dem Nationalsozialismus gegeben" habe. Die Österreicher würden mehr als nur gezählt, sagte er: "Es werden auch Familienverhältnisse abgebildet" - in welchen Abhängigkeiten zueinander deren Mitglieder lebten. In zwei weiteren ZiBs wurden die Aussagen verkürzt gesendet.

Das sei unwahr: "Die Behauptung, dass die Registerzählung 2011 auch nur annähernd mit der Form der Volkszählung, wie sie unter dem Nationalsozialismus stattgefunden hat, vergleichbar ist, ist für die Bundesanstalt (Statistik Austria) rufschädigend" , formuliert Korn in der Klage.

Unhaltbare Kritik

Im STANDARD-Gespräch präzisiert der Anwalt: "Hier wird die Statistik Austria mit dem Herrn Hitler verglichen. Das ist unter allen Standards" . Auch inhaltlich seien die Vorwürfe nicht haltbar, argumentiert er in der Klagsschrift: Beim Erfassen der Familienverhältnisse im Zuge der aktuellen Registerzählung würden "alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, um die Nichtrückführbarkeit auf Einzelpersonen ausreichend zu gewährleisten." 1933 und 1939 hätten die Nazis bei ihren Volkszählungen das krasse Gegenteil im Sinn gehabt, fügt er dem hinzu.

Das zieht Zeger auch nicht in Zweifel. Seine Kritik sei vielmehr "strukturell" gemeint, meint er. Den modernen österreichischen Volkszählern gehe es um mehr als eine Momentaufnahme der Bevölkerungsstruktur. Sie wollten "Datensätze schaffen, die alle relevante Lebensfunktionen der Bürger abbilden" . Hier, in dieser ausgeprägten Gründlichkeit, bestünden "technisch-organisatorische Ähnlichkeiten" zu den deutschen Volkszählungen in den 1930er-Jahren.

"Die Frage ist, was nach der aktuellen Registerzählung mit all dem verknüpften Wissen passiert" , sagt Zeger. Darüber fehle derzeit eine breitere Grundrechtsdiskussion. Von der Statistik Austria kam am Mittwoch keine Stellungnahme: "Im Sinne einer objektiven Berichterstattung" verwies man nur auf Anwalt Korn. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 15.9.2011)