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Staatsoberhäupter unter sich: Anders als Bundespräsident Heinz Fischer (der lediglich das verfassungskonforme Zustandekommen der Gesetze überprüft) kann sein liechtensteinischer Amtskollege Erbprinz Alois Gesetze auch aus inhaltlichen Gründen ablehnen.

Foto: apa/Bundesheer/Dragan Tatic

Am Sonntag wird in Liechtenstein über die Einführung der Fristenregelung abgestimmt. Alle Wahlberechtigten sind aufgerufen im Rahmen einer Volksabstimmung zu entscheiden, ob ein Schwangerschaftsabbruch in Zukunft unter Einhaltung festgelegter Fristen erlaubt werden soll.

Aktuell kann ein Schwangerschaftsabbruch (auch wenn dieser im Ausland durchgeführt wird) eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr nach sich ziehen. Nur in Ausnahmefällen ist eine Beendigung der Schwangerschaft auch in dem kleinen Fürstentum möglich, wenn diese aufgrund einer „nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die Gesundheit der Schwangeren erforderlich" oder das Mädchen unter 14 Jahre alt ist. (§96, Liechtensteiner StGB)

Laut Angaben der Initiative „Hilfe statt Strafe", die den Gesetzänderungsantrag im Mai 2011 eingereicht hat, lassen in etwa 50 Frauen aus Liechtenstein jährlich einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Die meisten Frauen fahren dafür in die Schweiz nach Chur oder St. Gallen. Seit Jahren werden diese Fälle in der Praxis jedoch nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Zu Anzeigen durch Privatleute kommt es aber immer wieder.

Ziel der Initiative ist es Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren, um den „krassen Gegensatz zur gelebten Realität" aufzuheben. Was nach der sinnvollen Änderung einer ohnehin nicht mehr angewendeten Gesetzespassage klingt, führt Liechtenstein in eine grundelegende Diskussion über Ethik aber auch über das Staatsmodell an sich.

Fürst mit absolutem Vetorecht

Naturgemäß gegen den nun vorgelegten Entwurf der Fristenlösung spricht sich das Erzbistum Liechtensteins aus. Das Parlament hat erst im Juni den Entwurf die Initiative mit 18 zu 7 Stimmen abgelehnt. Die Parteien sind in dieser heiklen Causa gespalten. Während die grün-alternative Opposition der WählerInnenschaft empfiehlt für den Entwurf zu votieren, gibt die regierende „Fortschrittliche Bürgerpartei" eine Nein-Parole aus. Der Koalitionspartner „Vaterländische Union" lässt es den WählerInnen frei, ob sie für oder gegen die Initiative votieren.

Erbprinz Alois - der Sohn von Fürst Hans-Adam II. - stellt sich vehement gegen die geplante Entkriminalisierung und bezeichnet die Volksinitiative als „unverantwortbar". Der Erbprinz, der 2004 die Amtsgeschäfte von seinem Vater übernommen hat, droht damit, das Gesetz nicht zu unterschreiben.
Anders als in Österreich hat das Staatsoberhaupt der konstitutionellen Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage ein absolutes Vetorecht und kann somit Gesetze auch aus inhaltlichen Gründen ablehnen. Unterschreibt Alois nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem erfolgten Beschluss, so tritt das Gesetz nicht in Kraft.

Alois begründet sein Veto mit der „Problematik der gezielten Abtreibung von Kindern mit Behinderung". Mit dem neuen Gesetz wäre es möglich, ein Kind bei vermuteter Behinderung ohne Einhaltung von Fristen abzutreiben.

Die Initiative befürchtet nun eine geringe Wahlbeteiligung, da die Volksabstimmung ihren verbindlichen Charakter zu verlieren droht. Die Landtagsabgeordnete und Initiatorin von „Hilfe statt Strafe" Helen Konzett Bargetze spricht von einer „Notbremse , die der Erbprinz gezogen hat", um eine deutliche Mehrheit für die Gesetzesinitiative zu verhindern. Denn noch nie in der jüngeren Geschichte Liechtensteins habe der Fürst seine Sanktion verweigert. 

Streit mit der katholischen Kirche

Aber Erbprinz Alois hat noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen. Ein Gesetzesentwurf, der zu einer Trennung von Kirche und Staat und einer Gleichstellung aller Religionen führen würde, wird von der katholischen Kirche vehement abgelehnt. Erzbischof Wolfgang Haas protestierte gegen das neue Gesetz und gegen die eben erst beschlossene Zulassung gleichgeschlechtlicher Paare, indem er am 15. August, dem liechtensteinischen Staatsfeiertag, erstmals die alljährliche Feldmesse auf der Vaduzer Schlosswiese verweigerte. Indes ist die Zustimmung zur katholischen Kirche in Liechtenstein ebenso im Sinken wie in vielen Staaten Europas.

Der liechtensteinische Erbprinz versucht sich an einem Spagat zwischen konservativ-christlichen Werten und liberalen Reformen - ein Gewissenskonflikt, den er wohl mit vielen konservativen Parteien in ganz Europa teilt.

Die Fürstenfamilie verliert an Beliebtheit. Seit der umstrittenen Verfassungsreform im Jahr 2003, durch die es zu einer Machtverlagerung hin zum Landesfürsten kam, fühlen sich die Liechtensteiner zum Teil entmündigt, denn das letzte Wort in Liechtenstein hat immer noch der Fürst. Fürst Hans-Adam bezeichnete einen alternativen Entwurf zur aktuellen Verfassung, der die demokratischen Elemente gestärkt hätte 2003 als „Totgeburt".

Während die konservativen Parteien in Europa jedoch „nur" die nächsten Wahlen verlieren können, steht für die liechtensteinischen Fürsten mehr auf dem Spiel. Entwürfe für eine Verfassungsänderung von einer konstitutionellen zu einer repräsentativen Monarchie gibt es bereits - allein die politische Mehrheit fehlt (noch). (elin, derStandard.at, 14. September 2011)