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Ferenc Gyurcsány – hier noch als amtierender Premier im Jahr 2009 – weist die Anschuldigung, den Staat im Zuge eines Kasinoprojekts geschädigt zu haben, zurück. Er erwartet einen "Schauprozess"  nach stalinistischem Muster.

Foto: AP/Szandelszky

Diese sind durch ein neues Budgetloch notwendig geworden.

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Angesichts "neuer Stürme" durch die Eurokrise kämen auf Ungarn "schwere Zeiten" zu, sagte der ungarische Premier Viktor Orbán am Montag zum Auftakt der herbstlichen Sitzungsperiode des Parlaments. Man werde nicht zulassen, dass "Spekulanten" sich auf Kosten der Ungarn bereichern. Man wolle prüfen, wer dafür verantwortlich sei, dass der Staat die Ungarn bisher nicht vor den ruinösen Hypothekenkrediten in Schweizer Franken geschützt habe, fügte Orbán mit Blick auf die sozialistischen Vorgänger drohend hinzu.

Seinem Wirtschaftsminister György Matolcsy überließ Orbán die Ankündigung von Steuererhöhungen, die ein zusätzliches Haushaltsloch stopfen sollen. Dieses war zustande gekommen, weil das Wirtschaftswachstum unter den Erwartungen blieb und weil die Einführung der Flat Tax für die Staatseinnahmen nicht erhöht hat. Orbáns rechtsnationale Fidesz plant nun Reformen, die in krassem Widerspruch zu seiner Rhetorik aus Oppositionszeiten stehen.

Zugleich arbeitet der Orbán-treue Generalstaatsanwalt Péter Polt an der Diskreditierung der oppositionellen Sozialisten, die ohnehin als wirtschaftspolitische Versager dastehen. Auf Polts Antrag entzog das Parlament dem sozialistischen Expremier Ferenc Gyurcsány die strafrechtliche Immunität im Zusammenhang mit einem umstrittenen Kasino-Projekt, der "Sukoro-Affäre" .

Eine israelisch dominierte Investorengruppe wollte in Sukoro am Velence-See bei Budapest ein riesiges Spielkasino bauen. 2008 soll Gyurcsány für dieses Projekt einen Grundstückstausch ermöglicht haben, der den ungarischen Staat geschädigt habe. Ob der Tausch tatsächlich für den Staat nachteilig war, ist juristisch nicht geklärt und unter Experten umstritten. Jedenfalls wurde das Projekt gestoppt. Der Chef des zuständigen Liegenschaftsamtes wurde noch von Gyurcsánys Nachfolger Gordon Bajnai entlassen.

Gyurcsány beteuert, dass er - wie bei anderen Großinvestitionen üblich - sich nur einmal mit den Investoren getroffen und die Behörden angewiesen habe "ihre Arbeit zu tun", zumal das Kasino 3000 neue Arbeitsplätze geschaffen hätte. Er bezeichnete die Anklagen als "Schweinerei" und sieht einen "Schauprozess" nach stalinistischem Muster auf sich zukommen.

Protest und Schweigen

Das Kasinoprojekt war stets umstritten, weil es in einem Landschaftsschutzgebiet realisiert werden sollte. Deshalb hatte als Erste die liberal-grüne Oppositionspartei LMP das Thema publik gemacht. In einem Naturschutzgebiet baut derzeit aber auch Audi in Györ eine neue Fabrik - mit grünem Licht aus Brüssel, ohne nennenswerten politischen Protest.

Neben umweltpolitischen und landschaftsarchitektonischen Argumenten kamen in der Debatte über das Kasinoprojekt in Sukoro immer wieder auch antisemitische Töne zum Tragen - in Anspielung auf die israelische Komponente der Investorengruppe. Diese mit rassistischen Klischees unterfütterte Stimmungsmache gegen Gyurcsány aus dem rechtsradikalen Lager könnte nun helfen, von Orbáns geplanten unpopulären Maßnahmen abzulenken. (Kathrin Lauer aus Budapest/DER STANDARD, Printausgabe, 14.9.2011)